Bei der Partnerwahl erkennen Weibchen der Unterarten der Taufliege Drosophila mojavensis den richtigen Partner entweder am Gesang oder am Geruch. Das fanden Forschende am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie zusammen mit ihren internationalen Kooperationspartnern in einer neuen Studie heraus. Ein bestimmtes männliches Sexualpheromon wird nur noch von Männchen aus zwei der vier Unterarten gebildet, und ist für die Partnerwahl der zugehörigen Weibchen entscheidend. Weibchen aus den Unterarten, bei denen die Männchen das Pheromon nicht mehr bilden, können den Botenstoff zwar auch wahrnehmen, aber für sie ist der spezifische Paarungsgesang bei der Wahl des richtigen Männchens entscheidend. Neue Arten können offenbar durch die Veränderung des chemischen Paarungssignals und im Gegenzug durch die Interpretation des Signals durch das andere Geschlecht im Kontext weiterer Signale, wie hier der gesungenen Werbung, entstehen. (Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.aba5279, Juni 2020).
Von der Taufliege Drosophila mojavensis sind vier Unterarten in den USA und Mexiko bekannt, die sich erst vor etwa 250000 Jahren entwickelt haben. Aus evolutionsbiologischer Sicht ist das ein verhältnismäßig kurzer Zeitraum. Eine Untersuchung dieser Unterarten ist für Wissenschaftler daher eine Gelegenheit, das evolutionäre Geschehen und die beginnende Artbildung live zu verfolgen. Man unterscheidet vier Unterarten, die in geografisch isolierten Regionen anzutreffen sind. Während die zwei nördlichen Unterarten auf die Früchte der Kakteenarten in der Mojave-Wüste oder auf der kalifornischen Insel Santa Catalina spezialisiert sind, dienen den südlichen Unterarten Kakteen in der Sonora-Wüste und im mexikanischen Teil Kaliforniens als Nahrungs- und Brutsubstrat (siehe auch Pressemeldung vom 4. Mai 2020 - Drosophila: Bei der Nahrungssuche offen für neue mikrobielle Partner).
Besonders interessant ist das unterschiedliche Paarungsverhalten der vier Unterarten von Drosophila mojavensis. In ihrer natürlichen Umgebung suchen sich die Männchen einen Platz in der Nähe ihres Brutsubstrats aus und locken die Weibchen zu dieser Stelle. Mittels chemischer Analysen und neurobiologischer Studien gelang es dem Forschungsteam, die an der Paarung beteiligten chemischen Signale zu identifizieren und ihre Funktion zu verstehen.
Verlust eines Pheromons als Isolationsmechanismus
Obwohl die Unterarten erst seit einer relativ kurzen entwicklungsgeschichtlichen Zeitspanne getrennt sind, entdeckten die Wissenschaftler einen Sexuallockstoff, der nur von den Männchen in den zwei nördlichen Unterarten gebildet wird, während er bei den Männchen der südlichen Arten nicht nachweisbar ist. Die Weibchen der nördlichen Unterarten bevorzugen Männchen, die diesen Duftstoff tragen und vermeiden somit die Paarung mit Männchen den südlichen Unterarten. beschreibt Studienleiter Markus Knaden die Ergebnisse. Zur Überraschung der Wissenschaftler konnten zwar auch die Weibchen der südlichen Unterarten dieses Pheromon wahrnehmen, wählten aber trotzdem die richtigen Männchen aus, auch wenn ihre Artgenossen mit dem Duft der nördlichen Verwandten versehen worden waren. Offenbar ignorierten sie den Duft und legten bei der Partnerwahl größeren Wert auf den für ihre Unterart spezifischen Paarungsgesang. Der Gesang eines Männchens wiederum war für die Weibchen der nördlichen Unterart bei der Wahl des richtigen Partners weit weniger wichtig als der richtige Geruch.
Alle vier Unterarten von Drosophila mojavensis nutzen ein weiteres Sexualpheromon als Paarungssignal. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass diese chemische Verbindung nicht als Duft wahrgenommen wird, sondern über Geschmackszellen an den Vorderfüßen. Interessanterweise wirkt das Pheromon, das bei der Paarung von einem Männchen auf ein Weibchen übertragen wird, auf andere Männchen wie ein Anti-Aphrodisiakum und verhindert, dass verpaarte Weibchen sich vor der Eiablage erneut paaren. Durch die Übertragung dieses Pheromons bei der Paarung kann das Männchen somit seine Vaterschaft sichern.
Der Geruchsrezeptor, der für die Reaktionen der Weibchen verantwortlich ist, wurde mittels CRISPR-Cas9 identifiziert
Neben chemischen Analysen und Verhaltensexperimenten haben die Wissenschaftler untersucht, auf welche Stoffe welcher Bereich im Fliegenhirn bei der Paarung reagiert. Mit Hilfe der CRISPR-Cas9-Technologie gelang es uns, den Geruchsrezeptor, der für das beobachtete Verhalten verantwortlich ist, zu bestimmen und auszuschalten. Damit konnten wir das Geheimnis der Isolationsbarrieren lüften, die für die Ausbildung der vier Unterarten verantwortlich sind, sagt Mohammed Khallaf, der Erstautor der Studie.
Die Wissenschaftler beobachteten, dass die Aktivierung des Geruchsrezeptors Or65a in einer Unterart von D. mojavensis die weibliche Paarungsbereitschaft erhöht. Interessanterweise existiert der gleiche Rezeptor auch in der bekannten Taufliege Drosophila melanogaster. Dort sorgt er jedoch für den umgekehrten Effekt, dass sich verpaarte Weibchen weniger vom Sexualpheromon ihrer Männchen angezogen fühlen.
Die Evolution von Sexuallockstoffen birgt immer noch viele Rätsel, denn ein neuer Duft, den ein Geschlecht produziert, muss auch vom anderen Geschlecht aufgespürt und richtig interpretiert werden. Im Fall der südlichen Unterarten von Drosophila mojavensis ging ein Sexuallockstoff in der Entwicklungsgeschichte verloren, während gleichzeitig ein anderes Paarungssignal, der Gesang der Männchen, einen höheren Stellenwert erhielt. Derzeit identifizieren wir die Sexualpheromone vieler Taufliegenarten. Um die Pheromonevolution insgesamt besser zu verstehen, müssen wir uns weitere Fälle genauer ansehen, in denen neue Pheromone auftauchten oder in denen minimale Änderungen der chemischen Zusammensetzung eines Pheromons die Ausbildung einer neuen Art in Gang setzte, erläutert der Leiter Abteilung Evolutionäre Neuroethologie, Bill Hansson, die weiteren Forschungen.
Trotz der komplizierten Veränderungen bei der Bildung, Aufspürung und Interpretation von Paarungssignalen, die im Laufe der Evolution neuer Arten nicht immer in koordinierter Weise ablaufen, ist eines sicher: Die Weibchen finden immer zu den richtigen Männchen: nämlich zu denen ihrer eigenen (Unter-)Art. Ob sie sich dabei von männlichen Düften verführen lassen oder dem Charme eines Liedes erliegen: Es scheint von Vorteil zu sein, alle verfügbaren Hinweise gründlich abzuwägen.
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Originalveröffentlichung:
Khallaf, M. A., Auer, T. O., Grabe, V., Depetris-Chauvin, A., Ammagarahalli, B., Zhang, D.-D., Lavista-Llanos, S., Kaftan, F., Weißflog, J., Matzkin, L. M., Rollmann, S. M., Löfstedt, C., Svatos, A., Dweck, H., Sachse, S., Benton, R., Hansson, B. S., Knaden, M. (2020). Mate discrimination among subspecies through a conserved olfactory pathway. Science Advances, 6: eaba5279, DOI: 10.1126/sciadv.aba5279 https://doi.org/10.1126/sciadv.aba5279
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Bill Hansson, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8, 07745 Jena, Tel. +49 3641 57-1401, E-Mail hansson@ice.mpg.de
Dr. Markus Knaden, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8, 07745 Jena, Tel. +49 3641 57-1421, E-Mail mknaden@ice.mpg.de
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Angela Overmeyer M.A., Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str. 8, 07745 Jena, +49 3641 57-2110, E-Mail overmeyer@ice.mpg.de
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Journal
Science Advances