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Flip-Flop-Qubits - die Erfindung eines radikalen neuen Quantencomputing-Designs

Techniker an der University of New South Wales haben eine radikale neue Architektur für das Quantencomputing erfunden. Sie basiert auf neuartigen „Flip-Flop-Qubits

Peer-Reviewed Publication

University of New South Wales

Flip-flop Qubits in Action

image: Artist's impression of the 'flip-flop' qubits exhibiting quantum entanglement. view more 

Credit: Tony Melov/UNSW

Techniker an der University of New South Wales haben eine radikale neue Architektur für das Quantencomputing erfunden. Sie basiert auf neuartigen „Flip-Flop-Qubits" und verspricht, die Herstellung von Quantenchips in großer Menge deutlich billiger - und einfacher - zu machen, als bisher für möglich gehalten.

Das neue Chipdesign, das in der Zeitschrift Nature Communications detailliert beschrieben wird, sieht einen Silizium-Quantenprozessor vor, der keine präzise Platzierung von Atomen erfordert, wie es bei anderen Herangehensweisen der Fall ist. Zudem können so Quantenbits (kurz „Qubits") - die Basisinformationseinheit in einem Quantencomputer - Hunderte von Nanometern entfernt voneinander platziert werden und trotzdem verbunden bleiben.

Entworfen wurde das Design von einem Team unter der Leitung von Andrea Morello, Programm-Manager am ARC Centre of Excellence for Quantum Computation and Communication Technology (CQC2T) an der UNSW, der die Umsetzung des neuen Designs vor dem Hintergrund der heutigen Technologie für durchaus realisierbar hält.

Hauptautor Guilherme Tosi, wissenschaftlicher Mitarbeiter am CQC2T, entwickelte das zukunftsweisende Konzept gemeinsam mit Morello und den Co-Autoren Fahd Mohiyaddin, Vivien Schmitt und Stefanie Tenberg vom CQC2T in Zusammenarbeit mit Rajib Rahman und Gerhard Klimeck von der Purdue University in den USA. „Es handelt sich um ein brillantes Design und wie bei vielen solcher konzeptionellen Sprünge ist es erstaunlich, dass bisher noch niemand daran gedacht hat", so Morello.

„Was Guilherme und das Team erfunden haben, ist eine neue Art, ein „Spin-Qubit" zu definieren, bei dem sowohl das Elektron als auch der Atomkern zum Einsatz kommen. Entscheidend dabei ist, dass dieses neue Qubit mithilfe von elektrischen Signalen anstelle von magnetischen gesteuert werden kann. Elektrische Signale lassen sich in einem elektronischen Chip wesentlich leichter verteilen und lokalisieren."

Laut Tosi umgeht das Design eine Herausforderung, die erwartungsgemäß alle spinbasierten Silizium-Qubits betrifft, wenn immer größere Qubit-Ketten hergestellt werden: die Notwendigkeit, sie in einem Abstand von nicht mehr als 10 bis 20 Nanometern, oder 50 Atome voneinander entfernt, anzuordnen. „Liegen sie zu nah beieinander oder zu weit voneinander entfernt, gibt es keine „Verschränkung" zwischen den Quantenbits - und gerade diese ist ja das Besondere an Quantencomputern", erklärt Tosi.

Laut Morello sind die Forscher an der UNSW bereits jetzt weltweit führend in der Herstellung von Spin-Qubits in dieser Größenordnung. „Wenn wir aber eine Kette aus Tausenden oder Millionen von so nah beieinander liegenden Qubits herstellen wollen, müssen alle Steuerleitungen, die Steuerelektronik und die Anzeigegeräte ebenfalls in dieser nanometrischen Größenordnung angefertigt werden, und mit dem Abstand und der Dichte von Elektroden. Dieses neue Konzept schlägt einen anderen Weg vor."

Am anderen Ende des Spektrums stehen supraleitende Schaltungen - ein Ansatz, der zum Beispiel von IBM und Google verfolgt wird - und Ionenfallen. Diese Systeme sind groß, einfacher herzustellen und derzeit wegweisend, was die Anzahl der steuerbaren Qubits betrifft. Aufgrund der größeren Abmessungen könnten sie allerdings auf lange Sicht bei dem Versuch, Millionen von Qubits anzuordnen und zu steuern, wie es von den meisten brauchbaren Quantenalgorithmen verlangt wird, vor Herausforderungen gestellt werden.

„Genau hier setzt unsere neue, siliziumbasierte Methode an", sagt Morello, Professor der Quantentechnik an der UNSW. „Die Herstellung ist einfacher als bei Geräten im atomaren Maßstab und dennoch können wir eine Million Qubits auf einem Quadratmillimeter unterbringen."

In dem Einzelatom-Qubit, das von Morellos Team verwendet wird und das in dem neuen Design von Tosi zum Einsatz kommt, wird ein Silizium-Chip mit isolierendem Siliziumoxid beschichtet. Darauf befindet sich eine Struktur aus Metallelektroden, die bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt und in einem sehr starken Magnetfeld betrieben werden.

Das Kernstück ist ein Phosphor-Atom, aus dem Morellos Team zuvor unter Verwendung eines Elektrons und des Atomkerns zwei funktionsfähige Qubits hergestellt hat. Diese Qubits zeichneten sich, einzeln betrachtet, durch weltweit unübertroffene Kohärenzzeiten aus.

Tosis konzeptioneller Durchbruch besteht in der Erschaffung einer völlig neuen Qubit-Art, bei der der Atomkern und das Elektron zum Einsatz kommen. Bei dieser Methode wird der Qubit-Zustand „0" so definiert, dass der Spin des Elektrons nach unten und der Spin des Kerns nach oben zeigen, während der Zustand „1" herrscht, wenn der Elektronenspin nach oben und der Kernspin nach unten zeigen.

„Wir nennen es das Flip-Flop-Qubit", erklärt Tosi. „Um dieses Qubit zu steuern, muss das Elektron mithilfe der oben befindlichen Elektroden ein wenig vom Atomkern weggezogen werden. Dadurch wird auch ein elektrischer Dipol erzeugt."

„Das ist der entscheidende Punkt", fügt Morello hinzu. „Diese elektrischen Dipole interagieren miteinander über ziemlich große Distanzen, nämlich einen beträchtlichen Teil eines Mikrometers bzw. 1000 Nanometer.

„Das bedeutet, wir können nun die Einzelatom-Qubits viel weiter voneinander entfernt platzieren als bisher für möglich gehalten", führt er weiter aus. „Es ist also genügend Platz vorhanden, um die klassischen Hauptkomponenten, wie etwa Verbindungen, Steuerelektroden und Anzeigegeräte, zu verteilen und gleichzeitig die atomartige Beschaffenheit des Quantenbits aufrechtzuerhalten."

Morello bezeichnet Tosis Konzept als ebenso bedeutend wie die bahnbrechende Abhandlung von Bruce Kane im Jahr 1998 in der Zeitschrift Nature. Kane, damals ein wissenschaftlicher Mitarbeiter an der UNSW, stieß auf eine neue Architektur, die einen siliziumbasierten Quantencomputer Realität werden lassen könnte, und gab damit den Anstoß zu Australiens Wettlauf um den Bau eines Quantencomputers.

„Wie bei Kanes Abhandlung handelt es sich auch hier um eine Theorie, ein Vorhaben - das Qubit muss erst hergestellt werden", so Morello. „Wir haben ein paar vorläufige experimentelle Daten, die nahelegen, dass es durchaus machbar ist, also arbeiten wir daran, den vollständigen Nachweis dafür zu erbringen. Ich denke aber, dass dies ebenso visionär ist wie die Originalabhandlung von Kane."

Der Bau eines Quantencomputers wurde als „Space Race" des 21. Jahrhunderts bezeichnet - eine schwierige und anspruchsvolle Herausforderung mit dem Potenzial, revolutionäre Tools für ansonsten unmögliche Berechnungen hervorzubringen, mit einer Fülle an nützlichen Anwendungen in den Bereichen Gesundheitswesen, Verteidigung, Finanzwesen, Chemie und Materialentwicklung, Software-Debugging, Luft- und Raumfahrt sowie Transportwesen. Seine Geschwindigkeit und Leistung sind darauf zurückzuführen, dass Quantensysteme mehrere „Superpositionen" mit unterschiedlichen Ausgangszuständen zulassen, und auf die spukhafte „Verschränkung", zu der es nur auf der Quantenebene der Elementarteilchen kommt.

„Es werden großartige Technologien erforderlich sein, um das Quantencomputing wirtschaftlich realisieren zu können und die Arbeit, die dieses außergewöhnliche Team leistet, bringt Australien in eine führende Position", sagt Mark Hoffman, Dekan der technischen Fakultät an der UNSW. „Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass die UNSW, wie viele der weltweit führenden Forschungsuniversitäten, sich heute im Zentrum eines ausgeklügelten, weltweiten Wissenssystems befindet, das dabei ist, unsere Zukunft zu gestalten."

Das UNSW-Team hat einen 83-Millionen-A$-Handel zwischen der UNSW, dem Telekommunikationsriesen Telstra, Australiens Commonwealth Bank und den Regierungen von Australien und New South Wales abgeschlossen. Darin geht es um die Entwicklung des Prototypen eines integrierten 10-Qubit-Siliziumquanten-Schaltkreises bis zum Jahr 2022 - ein erster Schritt auf dem Weg zum Bau des weltweit ersten Quantencomputers aus Silizium.

Im August gründeten die Partner Silicon Quantum Computing Pty Ltd, Australiens erstes Quantencomputing-Unternehmen, um die Entwicklung und Kommerzialisierung der einzigartigen Technologien des Teams voranzutreiben. Die Regierung von New South Wales sicherte 8,7 Millionen A$ zu, die UNSW 25 Millionen A$, die Commonwealth Bank 14 Millionen A$, Telstra 10 Millionen A$ und die Bundesregierung 25 Millionen A$.

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HINTERGRUND ZUR TECHNISCHEN FAKULTÄT DER UNSW Die technische Fakultät der UNSW ist die wichtigste Ideenschmiede der technischen Forschung in Australien. Sie umfasst neun Schulen und 32 Forschungszentren und ist in zehn Kooperationsforschungszentren als Teilnehmer oder in führender Rolle aktiv. Sie rangiert unter den 50 wichtigsten technischen Fakultäten der Welt und beherbergt australienweit die größte Anzahl an heimischen und internationalen Technikstudenten. Die UNSW selbst rangiert in Australien auf Platz 1, wenn es darum geht, Millionäre hervorzubringen (weltweit Platz 33) und nimmt Platz 1 in Australien ein, was die Anzahl der Absolventen betrifft, die Technologie-Start-up-Unternehmen gründen.

HINTERGRUND ZUM CQC2T Das Centre for Quantum Computation and Communication Technology (CQC2T) ist das größte Team der Welt, das daran arbeitet, ein universelles Quantencomputing-Ökosystem zu erschaffen. Das CQC2T führt im weltweiten Wettlauf um den Bau eines Quantencomputers aus Silizium und betreibt Forschungen auf Spitzenniveau im Bereich des optischen Quantencomputings, der Quantenkommunikation, der Quantenverbindungen und anderer Quantentechnologien. Das Zentrum hat seinen Hauptsitz an der UNSW und besteht aus mehr als 200 Forschern aus neun der wichtigsten Forschungseinrichtungen Australiens.


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