News Release

Wie Pflanzen mithilfe von Zucker Wurzeln schlagen

Heidelberger Biologen identifizieren molekularen Mechanismus, der die Wurzelverzweigung steuert

Peer-Reviewed Publication

Heidelberg University

Seitenwurzelprimordien Arabidopsis thaliana

image: Zwei Seitenwurzelprimordien, die sich aus der Hauptwurzel von Arabidopsis thaliana entwickeln. Die Bilder (mit falschen Farben) wurden mit einem konfokalen Mikroskop aufgenommen. view more 

Credit: Michael Stitz, Universität Heidelberg

Ein grundlegender molekularer Mechanismus kontrolliert zusammen mit der Umverteilung von Zucker innerhalb der Pflanzen die Ausbildung neuer Seitenwurzeln. Er beruht auf der Aktivität eines bestimmten Faktors, dem Protein „Target of Rapamycin“ (TOR), wie ein internationales Team von Pflanzenbiologen zeigen konnte. Ein besseres Verständnis der Prozesse, die auf molekularer Ebene die Wurzelverzweigung regulieren, könnte dazu beitragen, Pflanzenwachstum und damit Ernteerträge zu verbessern, so der Leiter der Forschungsarbeiten, Prof. Dr. Alexis Maizel vom Centre for Organismal Studies der Universität Heidelberg.

Ein gutes Wurzelwachstum sorgt dafür, dass Pflanzen genügend Nährstoffe aufnehmen und wachsen können und trägt so zu ihrer allgemeinen „Fitness“ bei. Dafür müssen sie die verfügbaren Ressourcen aus den Stoffwechselprozessen mit ihren genetischen Entwicklungsprogrammen in Einklang bringen. Pflanzen binden Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Atmosphäre in ihren Blättern und verwandeln es durch Photosynthese in Einfachzucker. In Form von Fruktose und Glukose werden diese Einfachzucker auch in den Wurzelbereich verteilt und treiben dort Wachstum und Entwicklung der Pflanze an.

Wie dieser Prozess auf molekularer Ebene abläuft, hat das Team um Prof. Maizel an der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana, einer Modellpflanze in der Pflanzenforschung, untersucht. Im Mittelpunkt ihrer Untersuchungen steht die Frage, welche Rolle Glukose bei der Ausbildung von Seitenwurzeln spielt. „Bekannt ist zwar, dass dafür neben pflanzlichen Hormonen auch Zucker aus dem Pflanzenspross in die Wurzel umverteilt wird; wie die Pflanze aber überhaupt erkennt, dass Zuckerressourcen für die Ausbildung von seitlichen Wurzeln zur Verfügung stehen, war bislang jedoch unbekannt“, erklärt Dr. Michael Stitz, Wissenschaftler im Team von Alexis Maizel.

Die Untersuchungen auf Stoffwechselebene haben gezeigt, dass Arabidopsis nur Seitenwurzeln bildet, wenn im Perizykel – der äußersten Zellschicht des zentralen Wurzelzylinders – Glukose abgebaut und Kohlenhydrate „konsumiert“ werden. Auf molekularer Ebene kontrolliert wird dieser Vorgang von dem Protein „Target of Rapamycin“. Dieser Faktor steuert bei Pflanzen ebenso wie bei Tieren und Menschen wichtige Signalnetzwerke und Stoffwechselprozesse. Seine Aktivität wird durch das Zusammenspiel von Wachstumsfaktoren wie dem Pflanzenhormon Auxin und Nährstoffen wie Zucker bestimmt.

An der Ackerschmalwand fanden die Wissenschaftler heraus, dass TOR in den Zellen des Perizykels nur dann aktiv wird, wenn dort Zucker vorhanden ist. Sogenannte Gründerzellen bilden anschließend durch Zellteilung die Seitenwurzel aus. Prof. Maizel: „TOR nimmt eine Art Pförtnerrolle ein; wenn die Pflanze über das Hormon Auxin das für die Wurzelbildung verantwortliche genetische Wachstumsprogramm aktiviert, überprüft TOR, ob auch genügend Zuckerressourcen für diesen Prozess zur Verfügung stehen.“ Dazu kontrolliert TOR die Translation bestimmter Auxin-abhängiger Gene und blockiert deren Expression, wenn nicht genügend Zuckerressourcen zur Verfügung stehen. Hemmten die Wissenschaftler die TOR-Aktivität, fand keine Seitenwurzelbildung statt. „Das legt nahe, dass es sich um einen grundlegenden molekularen Mechanismus handelt“, so der Heidelberger Pflanzenbiologe.

Gleichzeitig zeigten die Forscher, dass TOR auf eine ähnliche Weise auch für die Bildung von Wurzeln aus anderem Pflanzengewebe verantwortlich ist – den sogenannten Adventivwurzeln. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen könnten nach den Worten von Prof. Maizel auch für landwirtschaftliche Anwendungen interessant sein. „Potenziell können sie dazu beitragen, neue Strategien für ein auf unterschiedliche Umweltbedingungen abgestimmtes Pflanzenwachstum und bessere Ernteerträge zu entwickeln“, betont der Wissenschaftler.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die Forschungsarbeiten gefördert. Daran beteiligt waren neben den Pflanzenbiologen des Centre for Organismal Studies der Universität Heidelberg Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Straßburg (Frankreich), des Max-Planck-Instituts für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam, des Centre for Research in Agricultural Genomics in Barcelona (Spanien) sowie des University College Cork (Irland). Die Forschungsergebnisse sind in der Fachzeitschrift „The EMBO Journal“ erschienen.


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