Das Team NimbRo der Universität Bonn hat beim ANA Avatar XPRIZE-Wettbewerb in Long Beach (USA) den Hauptpreis von fünf Millionen US-Dollar gewonnen. Im Finale des von der japanischen Fluglinie All Nippon Airways (ANA) gesponserten und von der XPRIZE Foundation ausgerichteten Wettbewerbs traten 17 Teams aus zehn Ländern an, die in einem mehrstufigen Qualifikationsprozess aus 99 angemeldeten Forschergruppen ausgewähnt wurden. Mit insgesamt zehn Millionen US-Dollar Preisgeld war der ANA Avatar XPRIZE-Wettbewerb der bislang höchstdotierte Roboterwettbewerb.
Schon beim Halbfinale im September letzten Jahres in Miami hatte das Bonner Team die internationale Jury voll überzeugt und die meisten Punkte erzielt. Das Finale fand nun in Long Beach im US-Bundesstaat Kalifornien statt. Ziel dieses ANA Avatar XPRIZE-Wettbewerbs war es, Robotersysteme zu entwickeln, mit denen sich Menschen an einen anderen Ort versetzen können. Dies funktioniert über eine Bedienstation und einen Avatar-Roboter, die über das Internet verbunden sind. Die Sensoren des Avatar-Roboters erfassen die Umgebung, die in der Bedienstation so angezeigt wird, dass der Benutzende das Gefühl hat, sich am entfernten Ort zu befinden. Die Bewegungen des Bedienenden werden erfasst und auf den Avatar-Roboter übertragen. Das ermöglicht es, sich fortzubewegen, Objekte handzuhaben, Werkzeuge zu gebrauchen und intuitiv durch Sprache, Mimik, Gestik zu kommunizieren.
Intuitive Benutzbarkeit
Im Wettbewerb wurden die Avatar-Systeme nicht von den Entwicklern gesteuert, sondern von Mitgliedern einer internationalen Jury. Sie hatten nur wenige Minuten Zeit, sich mit dem System vertraut zu machen. “Daher war die intuitive Benutzbarkeit ein wichtiges Ziel beim Systemdesign”, sagt Prof. Dr. Sven Behnke vom Team NimbRo, der die Arbeitsgruppe für Autonome Intelligente Systeme an der Universität Bonn leitet.
Beim Finale gab es einen Qualifikationslauf und zwei Wettbewerbsläufe an drei aufeinander folgenden Tagen. In allen drei Läufen konnte der Benutzende alle zehn Aufgaben lösen. Es ging dabei um eine Mission, die auf einem entfernten Planeten spielen könnte. Zu den Aufgaben gehörte die Kommunikation mit einem Menschen, die Betätigung eines Schalters, das Schätzen des Gewichts von Gegenständen, der Gebrauch eines Akkuschraubers und das blinde Erkennen eines Steins anhand der Rauheit der Oberfläche. Neben der Aufgabenerfüllung wurde auch die Qualität der Telepräsenz-Erfahrung durch Jurymitglieder bewertet.
In den beiden Wettbewerbsläufen erhielt NimbRo auch hier die volle Punktzahl. Bei identischer Punktzahl entschied die Ausführungszeit. Mit knapp sechs Minuten war NimbRo hier fast doppelt so schnell wie das zweitbeste Team “Pollen Robotics” aus Bordeaux (Frankreich). Für die beste Wettbewerbsleistung erhielt NimbRo den Hauptpreis von fünf Millionen US-Dollar. „Mein fantastisches Team hat ein leistungsfähiges Avatar-System für die komplexen Aufgaben des Wettbewerbs entwickelt und erfolgreich alle auftretenden Probleme gelöst“, sagte Prof. Behnke.
Der NimbRo-Avatar
Das Avatar-System des Teams NimbRo wurde drei Jahre lang an der von Prof. Dr. Sven Behnke geleiteten Arbeitsgruppe für Autonome Intelligente Systeme des Instituts für Informatik VI – Intelligente Systeme und Robotik der Universität Bonn entwickelt. Der Avatar-Roboter hat einen menschenähnlichen Oberkörper mit zwei Armen und Fünf-Finger-Händen. Am Kopf sind eine weitwinklige Stereokamera, ein Stereomikrofon und ein Display befestigt, auf dem das Gesicht des Benutzenden animiert wird. Die entfernte Szene wird dem Benutzenden durch eine 3D-Datenbrille visualisiert, wobei dessen Kopfbewegungen erfasst und auf den Avatarkopf übertragen werden. So kann der Benutzende sich frei umschauen, an Hindernissen vorbeisehen und Objekte aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, was wesentlich zum Gefühl der Immersion, also dem Eintauchen in der entfernten Umgebung, beiträgt. Neben den Live-Videosignalen wird auch Stereo-Audio übertragen.
Der Benutzende spürt die Interaktionskräfte der Avatar-Hände über Kraft-Momente-Sensoren im Handgelenk. Roboterarme erfassen die Handbewegungen des Benutzenden und leiten diese an die Avatar-Arme weiter. Hand-Exoskelette vermitteln die Fingerbewegungen. Die Greifkräfte werden durch die Motorströme der Fingermotoren erfasst und auf die Finger des Benutzenden übertragen. Haptischen Sensoren sorgen zudem dafür, dass Messungen auf die Fingerspitzen des Benutzenden übertragen werden. Der Avatar-Roboter kann in alle Richtungen fahren und sich auf der Stelle drehen, wobei Richtung und Geschwindigkeit sich über einen Fußcontroller steuern lassen. Für die Orientierung sorgen Kameras, welche eine Rundumsicht von oben erzeugen. Die Datenbrille ist mit drei Kameras ausgestattet, um für eine Live-Gesichtsanimation, die auf dem Kopf-Display des Avatar-Roboters angezeigt wird, Augenbewegungen und Mimik des Benutzenden zu erfassen.
Über den Wettbewerb hinaus haben Avatar-Systeme zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten. Dazu gehören beispielsweise die Unterstützung assistenzbedürftiger Personen bei der Bewältigung ihres Alltags, die Telemedizin sowie der Einsatz in unzugänglichen oder gefährlichen Umgebungen. „Avatarsysteme haben großes Potential, räumliche Trennung zwischen Menschen zu überwinden und könnten in einigen Jahren so weit verbreitet sein wie heute Videokonferenzsysteme“, sagt Prof. Behnke.
Videos zu den Final-Wettbewerbsläufen des Teams NimbRo der Universität Bonn:
https://youtu.be/pxblVcN606E
https://youtu.be/8AwgGSpcAe8
Informationen zum Avatar-System: https://www.ais.uni-bonn.de/nimbro/AVATAR
Informationen zum Wettbewerb: https://www.xprize.org/prizes/avatar
Kontakt:
Prof. Dr. Sven Behnke
Universität Bonn
Institut für Informatik VI – Intelligente Systeme und Robotik
Tel. +49 0228 734116
E-Mail: behnke@cs.uni-bonn.de