Leipzig. Die Waldbrände 2019/20 in Australien transportierten soviel Rauch in die Atmosphäre wie nie zuvor auf der ganzen Welt beobachtet wurde. Im sogenannten Black Summer kamen dabei dreimal so viele Partikel in hohe Luftschichten wie beim bisherigen Rekord, den kanadischen Waldbränden im Sommer 2017. Zwei Analysen unter Leitung des Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS) zeigen jetzt die Klimawirkung dieser gewaltigen Brände auf: Rauchpartikel mit einer Gesamtmasse von rund einer Million Tonnen verteilten sich über die Südhemisphäre und beeinflussten etwa eineinhalb Jahre lang das Klima, in dem sie die Atmosphäre oben erwärmten und unten kühlten. Dabei wurde das Sonnenlicht von den Subtropen bis zur Antarktis noch stärker getrübt als 1991 beim Ausbruch des Vulkans Pinatubo. Der Rauch hat wahrscheinlich auch zum Rekord-Ozonloch über der Antarktis 2020 beigetragen und bildete einen Wirbel mit über 1000 Kilometer Durchmesser, der mehrere Wochen über die Südhalbkugel zog und als erster Nachweis gilt, dass der Rauch der Waldbrände auch die Höhenwinde in der Stratosphäre verändern kann. Da solche extremen Brände durch den Klimawandel voraussichtlich immer häufiger werden, sei es sehr wichtig, den Rauch und seine Auswirkungen auf den Energiehaushalt der Erde in den Klimaszenarien zu berücksichtigen, schreiben die Forschenden im Fachjournal Atmospheric Chemistry and Physics (ACP).
Rekord-Waldbrände in Australien
Zwischen September 2019 und Januar 2020 brannte fast doppelt so viel Fläche wie bei jedem anderen extremen Feuer in Australien, das bisher dokumentiert wurde. Die Brände erreichten ihren Höhepunkt zwischen dem 29. Dezember 2019 und dem 4. Januar 2020. In der wissenschaftlichen Literatur werden sie deshalb inzwischen als „Australian New Year Super Outbreak“ (ANYSO) betitelt und umgangssprachlich „Schwarzer Sommer“ (Black Summer bushfires) genannt. Durch die große Hitze bildeten sich dabei auch 38 Feuerwolken (Pyrocumulonimbus, kurz PyroCb), die den Rauch mit der zehnfachen Geschwindigkeit eines Fahrstuhles in große Höhen transportierten. Mehr als die Hälfte dieser Feuerwolken haben die Rauchpartikel direkt bis zu einer Höhe von 14 bis 16 Kilometern in die untere Stratosphäre transportiert. Wie bei einem Vulkanausbruch gilt auch für Waldbrände: Je höher die Partikel gelangen, umso weiter verteilen sie sich und umso länger wirken sie auf das Klima. Partikel in den unteren Atmosphärenschichten werden durch Niederschläge meist schnell wieder ausgewaschen und haben deshalb kaum Auswirkungen auf das Klima.
Durch die Waldbrände im Südosten Australiens gelangten um den Jahreswechsel 2019/20 über eine Million Tonnen an Rauchpartikeln in die Atmosphäre. Das ist etwa viermal so viel wie bei den Waldbränden in den Jahren zuvor. Die Rauchpartikel verteilten sich durch die Höhenwinde innerhalb von wenigen Tagen in den mittleren Breiten der Südhemisphäre und enthalten unter anderem auch Ruß-Aerosol. Diese dunklen Teilchen nehmen Sonnenenergie auf und zählen zu den am stärksten wärmenden kurzlebigen Klimatreibern. Der Rauch aus solchen extremen Waldbränden ist in den Aerosol-Klimamodellen jedoch bisher noch nicht ausreichend abgebildet. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des TROPOS hat daher die Black-Summer-Waldbrände analysiert, um die Auswirkungen solcher Ereignisse auf das Klima besser zu verstehen.
Viele Messungen in der Südhemisphäre ergeben ein Puzzlebild
Für ihre Studie nutzen die Forschenden Satellitendaten zur optischen Dicke von Aerosolschichten (AVHRR der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) und des Weltraum-Lidars CALIOP). Die Trübung der Atmosphäre verglichen sie mit den Sonnen-Photometer-Messungen des internationalen AERONET-Netzwerks, das u.a. Stationen betreibt in Punta Arenas (Chile), Amsterdam Island (Indischer Ozean), Marambio (vor der Antarktischen Halbinsel), Vechernaya Hill (Ostantarktis) und am Südpol. Entscheidend waren aber die Langzeitbeobachtungen, die mit zwei bodengestützten Raman-Lidaren in Punta Arenas (Chile) und Río Grande (Argentinien) an der südlichsten Spitze Südamerikas, durchgeführt wurden. Diese Messungen können als repräsentativ für den südlichen Teil der Südhemisphäre angesehen werden und ermöglichten auch Vergleiche mit anderen extremen Waldbränden in der Nordhemisphäre. Beide Messungen hatten ursprünglich andere wissenschaftliche Ziele: Die Lidar-Beobachtungen in Punta Arenas fanden im Rahmen der DACAPO-PESO-Kampagne (Dynamics, Aerosol, Cloud And Precipitation Observations in the Pristine Environment of the Southern Ocean) von November 2018 bis November 2021 statt. Das Hauptziel dieser Messkampagne von Universität Magallanes (UMAG), TROPOS und der Universität Leipzig war die Untersuchung von Aerosol-Wolken-Wechselwirkungsprozessen unter den sauberen Bedingungen der Südhemisphäre. Die Lidar-Beobachtungen in Río Grande waren Teil der HALO-Mission SOUTHTRAC-GW (Southern Hemisphere Transport, Dynamics, and Chemistry–Gravity Waves), bei der ein großes internationales Team unter Leitung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im September 2019 atmosphärische Schwerewellen in Südamerika mit dem Forschungsflugzeug HALO untersucht hat. Dabei kam auch das Compact Rayleigh Autonomous Lidar (CORAL) des DLR zum Einsatz, das wichtige Daten zu den optischen Eigenschaften des Rauchs zwischen 15 und 30 Kilometern Höhe lieferte. Die Vielzahl der Daten machte es möglich, ein neues Phänomen zu beobachten, die Waldbrände mit bisherigen Rekord-Waldbränden in Nordamerika zu vergleichen und auch Zusammenhänge zum Ozonloch herzustellen:
Ein einzigartiger Rauch-Wirbel
Dass die Waldbrände quasi ihr eigenes Wetter machen, war schon lange bekannt, aber im Zusammenhang mit den Black-Summer-Bränden wurde im Januar-März 2020 ein neues Phänomen beobachtet: Ein sich selbst erhaltender Wirbel mit einem Durchmesser von etwa 1000 km und einer vertikalen Ausdehnung von etwa 5 km. Dieser äußerst stabile Wirbel hielt sich über 13 Wochen lang in der Stratosphäre, überquerte den Pazifik innerhalb von zwei Wochen ostwärts und schwebte mehr als eine Woche lang über der Spitze Südamerikas. Danach folgte eine 10-wöchige Reise um die Welt in westliche Richtung, die bis Anfang April 2020 über 66 000 km weit verfolgt werden konnte. Der Wirbel hat Rauch und Feuchtigkeit bis in 35 km Höhe transportiert - eine Höhe, die von troposphärischen Aerosolen seit dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo nicht mehr erreicht wurde. Dieser Wirbel schloss die Rauchpartikel ein und bewahrte sie so davor, verdünnt zu werden. Die Absorption der Sonnenstrahlung durch den Rauch im Zentrum führte zu einer Erwärmung und zu einer Zirkulation gegen den Uhrzeigersinn wie bei einem Hochdruckgebiet auf der Südhemisphäre. „Derartiges wurde so bisher noch nicht beobachtet. Dies ist der erste Beweis dafür, dass der Rauch auch Veränderungen der Winde in der Stratosphäre verursacht und eröffnet eine ganz neue Richtung der wissenschaftlichen Forschung. Der Einfluss der Waldbrände auf die Atmosphäre könnte viel großer sein als wir bisher denken“, unterstreicht Dr. Albert Ansmann vom TROPOS.
ANYSO als neuer „Rekordhalter“
Lidarmessungen des TROPOS aus den vorigen Jahren ermöglichten es, die Waldbrände in Australien mit zwei anderen großen Bränden zu vergleichen: Die rekordverdächtigen Waldbrände in Kanada (Pacific Northwest Event, PNE) im August 2017 hatten im Vergleich nur rund ein Drittel an Aerosolmasse in die obere Stratosphäre transportiert. Fünf Brandwolken über British Columbia sorgten damals dafür, dass dieser Rauch bis zum Januar 2018 über Europa schwebte. Extrem starke Brände gab es auch im Juli/August 2019 in Sibirien nördlich und nordöstlich des Baikalsees (SIberian Lake Baikal Event, SILBE), bei denen keine Feuerwolken beobachtet wurden. Der Rauch stieg deshalb wahrscheinlich per Sonneneinstrahlung langsam innerhalb einer Woche in große Höhen auf. Durch die Lidarmessungen auf dem Forschungseisbrecher Polarstern konnte der Rauch dieser Brände während der internationalen MOSAiC-Expedition zwischen Oktober 2019 und Mai 2020 in der Region um den Nordpol beobachtet werden.
Der Rauch der Kanadischen Waldbrände (PNE) 2017 umfasste rund 0,3 Millionen Tonnen Material, bildete eine etwa 1 bis 4 Kilometer dicke Schicht, stieg bis in 20 Kilometern Höhe auf und schwebte etwa 8 Monate in der Atmosphäre. Der Rauch der Sibirischen Waldbrände (SILBE) 2019 bildete eine etwa 7 bis 10 Kilometer dicke Schicht, stieg bis in 18 Kilometern Höhe auf und schwebte etwa 5 Monate in der Atmosphäre. Der Rauch der Australischen Waldbrände (ANYSO) 2019/20 umfasste rund 1 Million Tonnen Material, bildete eine etwa 10 bis 14 Kilometer dicke Schicht, stieg bis in 24 Kilometern Höhe auf und schwebte etwa 20 Monate in der Atmosphäre. „Die Australischen Waldbrände 2019/20 sind definitiv die Waldbrände mit den bisher größten Auswirkungen auf die Atmosphäre und das globale Klima. Die Dimensionen sind mit dem Ausbruch des Pinatubo auf den Philippinen 1991 vergleichbar. Damals gelangten die Partikel bis in 25 Kilometern Höhe und schwebten etwa 14 Monate in der Atmosphäre. Lediglich die Größe der Partikel unterscheidet sich deutlich: Die Aschepartikel des Vulkans waren mit einem Durchmesser von rund 1 Mikrometer etwa doppelt so groß wie die Rauchpartikel der Australischen Waldbrände“, berichtet Albert Ansmann vom TROPOS.
Rauch als Katalysator für das Ozonloch?
2020/21 wurden drei Ereignisse mit einem rekordverdächtigen Ozonabbau beobachtet: Im März/April 2020 bildete sich ein extrem starkes Ozonloch über der zentralen Arktis und im September bis November 2020 und 2021 jeweils ein ebenfalls extremes Ozonloch über der Antarktis. Bei allen drei Ereignissen schwebte ungewöhnlich viel Rauch in der Atmosphäre der Polargebiete, wie die Lidarmessungen belegen. Aus Sicht der Forschenden ein klares Indiz für Zusammenhänge, denn sie beobachteten eine deutliche Übereinstimmung zwischen der Schicht mit dem stärksten Ozonabbau über den Stationen der Ozonsonden (14-25 km Höhe), der Schicht mit einer erhöhten Partikeloberflächenkonzentration über Punta Arenas (10-24 km Höhe) und dem Höhenbereich, in dem die CALIOP-Satellitendaten Polare Stratosphärenwolken nachgewiesen hat (hauptsächlich über der Antarktis in 13-26 km Höhe). „Von den Polare Stratosphärenwolken (PSC) ist bekannt, dass an ihren Oberflächen chemische Prozesse ablaufen, die den Ozonabbau beschleunigen. Deshalb vermuten wir stark, dass der Rauch zu diesen hohen Wolken geführt hat und diese Wolken wiederum zum starken Ozonabbau. Für die Menschen in und um die Polargebiete wäre dies keine gute Nachricht. Sollte der Klimawandel wie erwartet zu immer häufigeren und stärkeren Waldbränden führen, dann würden sich die Ozonlöcher über Arktis und Antarktis ausbreiten und mit ihnen auch das Hautkrebsrisiko“, erläutert Kevin Ohneiser vom TROPOS.
Kühlende Wirkung wie bei einem großen Vulkanausbruch
Die Daten wurden auch für eine Simulation mit dem globalen modernen Aerosol-Klimamodell ECHAM6.3-HAM2.3 genutzt. Dieses Modell verwendet ein Aerosol-Mikrophysik-Modell, um die Entwicklung von unterschiedlicher Aerosoltypen vorherzusagen. Dadurch kann deren Einfluss auf die Strahlungsbilanz der Atmosphäre berechnet werden: Die Modellierung ergab eine Wärmewirkung in der oberen Atmosphäre (TOA) von +0,5 Watt pro Quadratmeter in der Südhemisphäre und +0,25 Watt pro Quadratmeter global. An der Erdoberfläche (Boden der Atmosphäre, BOA) wurde der solare Strahlungsantrieb bei klarem Himmel auf etwa -0,75 Watt pro Quadratmeter geschätzt. Dies entspricht der Kühlwirkung, die durch einen großen Vulkanausbruch verursacht wird. „Wir waren überrascht, wie stark die Waldbrände im Südosten Australiens die oberen Luftschichten der Südhemisphäre getrübt und damit die Strahlungsbilanz verändert haben. Diese Veränderungen beeinflussten das Klima auf der Südhalbkugel eineinhalb Jahre lang. Zurückzuführen sind sie aber im Wesentlichen auf lediglich vier Tage mit Rauch aus Pyrokonvektion“, betont Dr. Bernd Heinold vom TROPOS.
Waldbrände werden wichtiger für Klimamodelle
Die Auswirkungen des Aerosols von Waldbränden auf die Energiebilanz wurde bei Bränden mit derart hochreichenden Brandwolken in den Modellen wahrscheinlich bisher unterschätzt, da die vertikale Rauchverteilung für die Strahlungswirkung entscheidend ist, es aber bisher wenig Wissen dazu gab. „Solche Verbesserungen sind für jede Schätzung der Energiebilanz und des Klimazustands der Erde von wesentlicher Bedeutung. Daher wird es immer wichtiger, Klimamodelle in die Lage zu versetzen, besser mit der Auswirkung von Waldbränden auf die Atmosphäre umzugehen, da diese als Reaktion auf die anthropogene Klimaerwärmung voraussichtlich weltweit an Häufigkeit und Schwere zunehmen werden“, erklärt Prof. Ina Tegen vom TROPOS. „Das erhöhte Risiko schwerer Waldbrände steht im Zusammenhang mit extremer Trockenheit. Häufigere und intensivere Wetterextreme erhöhen auch die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese sehr hoch reichenden Feuerwolken künftig häufiger bilden werden.“ Rekord-Brände wie 2019/20 in Australien könnten sich in den kommenden Jahren in anderen Regionen der Erde wiederholen und das globale Klima immer stärker beeinflussen. Tilo Arnhold
Weitere Informationen und Links:
Aufwinde entscheidend – Wolken in der Südhemisphäre genauer verstanden (Pressemitteilung, 26.01.2022): https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/aufwinde-entscheidend-wolken-in-der-suedhemisphaere-genauer-verstanden
Klimawandel und Waldbrände könnten Ozonloch vergrößern (Pressemitteilung, 21.01.2022): https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/klimawandel-und-waldbraende-koennten-ozonloch-vergroessern
High-flying wildfire smoke may threaten ozone layer. Record Arctic ozone loss linked to Siberian wildfires (SCIENCE, 18 Nov 2021): https://doi.org/10.1126/science.acx9681
Kalifornischer Rauch zog im Herbst 2020 bis nach Mitteleuropa und sorgte für starke Trübung der Sonne (Pressemitteilung, 01.06.2021): https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/details/kalifornischer-rauch-zog-im-herbst-2020-bis-nach-mitteleuropa-und-sorgte-fuer-starke-truebung-der-sonne
Rauch von US-Waldbränden zieht über Deutschland (Pressemitteilung, 11.09.2020): https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/neu
Australische Waldbrände sind bis nach Chile zu spüren (Kurzmeldung, 06.01.2020): https://www.tropos.de/aktuelles/pressemitteilungen/kurzmitteilungen/rauch-aus-australien
Projekt „Dynamics, Aerosol, Cloud and Precipitation Observations in the Pristine Environment of the Southern Ocean (DACAPO-PESO)“: https://dacapo.tropos.de/
HALO-Mission “SouthTRAC”: https://www.pa.op.dlr.de/southtrac/
CORAL: https://www.dlr.de/pa/desktopdefault.aspx/tabid-8858/15305_read-42504/
Expedition “MOSAiC - Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate”: https://www.awi.de/im-fokus/mosaic-expedition.html & https://www.tropos.de/aktuelles/messkampagnen/blogs-und-berichte/mosaic-2019-2020
Journal
Atmospheric Chemistry and Physics
Method of Research
Observational study
Subject of Research
Not applicable
Article Title
Australian wildfire smoke in the stratosphere: the decay phase in 2020/2021 and impact on ozone depletion
Article Publication Date
9-Jun-2022
COI Statement
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