News Release

Mikropartikel mit Gefühl

Korallen beim Atmen zuschauen: Forschende entwickeln eine neue Methode zur gleichzeitigen Messung von Strömung und Sauerstoff.

Peer-Reviewed Publication

Max Planck Institute for Marine Microbiology

Korallen beim Atmen zuschauen: Versuchsaufbau

image: Korallen beim Atmen zuschauen: Eine Spezialkamera zeichnet auf, wie die sauerstoffempfindlichen Partikel an der Korallenoberfläche vorbeifließen. So können die Forschenden den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Strömungsfeld und Sauerstoffkonzentration erkennen. view more 

Credit: Soeren Ahmerkamp/Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie

Die Oberfläche einer Koralle ist rau. Das harte Skelett ist besiedelt von Polypen, die ihre Tentakel ins umliegende Wasser strecken, um Nahrung herauszufiltern. Aber wie genau fließt das Wasser über die Korallenoberfläche, welche Wirbel und Strömungen entstehen, und was bedeutet das für die Versorgung der Koralle und ihrer assoziierten Algen? Bislang gab es keine Antwort auf diese Fragen. Jetzt hat ein internationales Forschungsteam um Soeren Ahmerkamp vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen, Klaus Koren von der dänischen Universität Aarhus und Lars Behrendt von der Universität Uppsala und dem SciLifeLab in Schweden eine Methode entwickelt, mit der sich Strömungen und Sauerstoffkonzentrationen gleichzeitig auf kleinstem Raum untersuchen lassen. Und tatsächlich: Nun kann man sehen, wie die Korallen mit ihren kleinen Flimmerhaaren eine Strömung erzeugen, mit der sie mehr Sauerstoff heranfächeln.

So genau und schnell wie nie 

Sauerstoff und Leben sind untrennbar verknüpft, von einzelnen Zellen bis hin zu ganzen Organismen. In kleinster räumlicher und zeitlicher Auflösung, auf wenigen Mikrometern und innerhalb von Millisekunden, verändern sich Sauerstoffwerte infolge von Strömungen oder dadurch, was die Organismen machen. Bisherige Methoden haben Sauerstoffwerte und Strömungen meist getrennt gemessen, wodurch viele Zusammenhänge nicht erfasst werden konnten. Ahmerkamp und seine Kolleginnen und Kollegen machen das nun in einem: Sie messen die Sauerstoffkonzentration und Strömung gleichzeitig und mit bisher unerreichter Genauigkeit und Geschwindigkeit. Die Forschenden taufen ihre neu entwickelte Methode sensPIV. PIV ist die Abkürzung für „Particle Image Velocimetry“, eine etablierte Methode zur Strömungsmessung mit Partikeln. Nun kommt noch das „sens“ hinzu, die Partikel werden quasi gefühlvoll. 

Die Arbeit war eine technische Herausforderung. In tüfteliger Kleinarbeit gelang es dem Team, winzige Kügelchen mit einem Durchmesser von unter 1 Mikrometer herzustellen, die mit einem fluoreszierenden Farbstoff getränkt sind. (Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von etwa 100 Mikrometern.) Dieser Farbstoff leuchtet umso heller, je weniger Sauerstoff vorhanden ist. „Wichtig war es vor allem, dass der Farbstoff sehr schnell auf den Sauerstoffgehalt reagiert. Zudem brauchten wir Kameratechniken, die die Fluoreszenz gut aufnehmen können“, erklärt Mitautor Farooq Moin Jalaluddin vom Bremer Max-Planck-Institut. „Mit der sensPIV-Methode sind wir nun in der Lage, auch in schnellen und kleinräumigen Strömungen mit ausreichender Auflösung zu messen.“

Nützlich für Medizin, Biologie und vieles mehr

Die Anwendungsmöglichkeiten der neuen Methode sind vielfältig. Viele Organismen interagieren mit Sauerstoff, und so kann sensPIV helfen, offene Fragen in den Biowissenschaften zu beantworten. Ahmerkamp und seine Kolleginnen und Kollegen nutzten es beispielsweise nicht nur an Korallen, sondern auch um detailliert zu betrachten, wie Sauerstoff durch Sand fließt. Auch kleinskalige Stoffwechselvorgänge an Mikroben, Tieren und Pflanzen können so untersucht werden. In der Mikrofluidik, die untersucht, wie sich Flüssigkeiten auf kleinstem Raum verhalten, und in der Medizin eröffnen sich zahlreiche weitere Anwendungsmöglichkeiten.

Die erste Idee zu dieser Messmethode entstand schon vor einigen Jahren. „Aber erst durch das tolle internationale Team und unsere enge Zusammenarbeit war es möglich, dass aus der Idee nun eine funktionierende und vielseitig einsetzbare Anwendung wird“, sagt Ahmerkamp. Nun ist das Team gespannt auf die kommenden Einsatzbereiche der Methode. „Die Partikel sind nicht schwer herzustellen, wenn man erst mal weiß, wie’s geht“, so Klaus Koren. Auch an eine Weiterentwicklung der Methode wird schon gedacht: „Gerne würden wir sensPIV auch für andere Substanzen als Sauerstoff sensibilisieren. Klaus Koren ist schon wieder am tüfteln.“ sagt Lars Behrendt.


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