CAMBRIDGE MA./VIENNA (AT) – Forscher des Harvard Growth Lab und des Complexity Science Hub Vienna haben eine neue Analyse veröffentlicht, die nachzeichnet, wie sich die ukrainische Wirtschaft stetig von Russland weg und in Richtung Westen orientiert hat. Die Forscher zeigen, welche Auswirkungen diese Verlagerung von Unternehmen auf die Spezialisierung und das Bildungsniveau in einer Region hatte und mit welchen Folgen Unternehmen außerhalb der Ukraine wegen des Krieges nun rechnen müssen, vor allem in Russland und der EU.
Die Analyse „The Economic Geography of the War in Ukraine“ liefert 12 Fakten sowie deren Visualisierungen über die Beziehungen zwischen den Volkswirtschaften der Ukraine, Russlands und der EU.
Dazu zählt:
Eine tektonische Verschiebung im Handel ab dem Jahr 2013
Im Jahr 2012 lieferte die Ukraine etwa ein Viertel ihrer Exporte sowohl nach Russland als auch in die Europäische Union. Im Jahr 2014 brachen die Ausfuhren nach Russland auf etwa ein Drittel des Wertes von 2012 ein. Heute gehen nur noch 7 Prozent der ukrainischen Ausfuhren nach Russland. Im Gegensatz dazu importiert die EU heute mehr als 40 Prozent aller ukrainischen Ausfuhren. Im Zuge ihrer Hinwendung zum Westen konnte die Ukraine ihre Präsenz in den Lieferketten der europäischen Produktionszentren ausbauen und von wachsenden ausländischen Investitionen profitieren. Deutschland zum Beispiel ist ein wichtiger Investor in der Ukraine.
Auswirkungen auf ausländische Investitionen
Westliche Unternehmen mit Investitionen in der Ukraine und Russland werden insgesamt keine großen Verluste erleiden. Doch das Risiko ist ungleichmäßig über die Länder verteilt. Investitionen entlang von Lieferketten sind sogar noch stärker auf einige wenige Länder und Regionen konzentriert: Die Auswirkungen des Krieges werden vor allem in Europa zu spüren sein, mit den größten Verlusten in Süddeutschland, Paris, Südfinnland und Norditalien, sowie in einigen asiatischen Nachbarländern Russlands wie Japan. Pro Kopf der Bevölkerung sind kleinere ost- und mitteleuropäische Länder überproportional betroffen, darunter Österreich, die Schweiz, Estland, Litauen und die Slowakei.
Große Datensätze zeigen wirtschaftliche Zusammenhänge
Die Analyse wurde von Frank Neffke, Teamleiter am Complexity Science Hub Vienna, in Zusammenarbeit mit Matté Hartog und Yang Li, Forscher am Growth Lab der Harvard Kennedy School, durchgeführt.
Die Analyse basiert auf Metroverse, einem Datenvisualisierungstool des Growth Lab. Es veranschaulicht die technologischen Ressourcen von mehr als 1.000 Städten weltweit und zeigt deren Möglichkeiten für Wachstum und Diversifizierung. Der Datensatz enthält geographische, Eigentums- und Brancheninformationen von über 200 Millionen Wirtschaftsunternehmen und ihren Niederlassungen weltweit.
"Der Datensatz ermöglicht es uns, die wirtschaftliche Struktur von Städten nicht nur in einem Land, sondern länderübergreifend zu untersuchen", so Frank Neffke. "Da wir wissen, was jede einzelne Stadt tut, und auch, wohin die Investitionen zwischen den Städten auf globaler Ebene fließen, können wir die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Volkswirtschaften im Westen sehen."
Ressourcen:
Die Komplexitätsforscher stellen ihre Berechnungen unter anderem als interaktive Zeitreihen zur Verfügung. Diese Zeitreihen und weitere Tabellen und Grafiken, die die 12 Fakten veranschaulichen, können über eine interaktive Webpage des CSH Vienna abgerufen werden. https://vis.csh.ac.at/12-facts-ukraine-rus-eu/
Die Ergebnisse stehen auch als Policy Brief zur Verfügung:
Frank Neffke, Matté Hartog, Yang Li, The Economic Geography of the war in Ukraine: Twelve Facts about the Relation Between the Economies of Ukraine, Russia, and the EU. CSH–Harvard Growth Lab Policy Brief, March 23, 2022, https://www.csh.ac.at/csh-policy-briefs-research-briefs/
Metroverse: The Growth Lab’s Urban Economy Navigator