VolkswagenStiftung unterstützt Forschungsarbeit mit membranlosen Organellen im Rahmen der Initiative "Leben?" mit rund einer Million Euro
Die VolkswagenStiftung unterstützt im Rahmen der Initiative "Leben?" ein Forschungsprojekt zum Verständnis fundamentaler Prozesse, die für das Leben notwendig sind, auf der Basis membranloser Organellen in Zellen. Prof. Dr. Edward Lemke erhält für dieses Projekt in den kommenden fünf Jahren eine Förderung von rund einer Million Euro. Mit seiner Arbeitsgruppe hatte Lemke kürzlich gezeigt, dass es möglich ist, eine membranlose Organelle herzustellen, die völlig neue Funktionen in der Zelle übernehmen kann. Lemke ist biophysikalischer Chemiker und Professor für synthetische Biophysik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) sowie Adjunct Director am Institut für Molekulare Biologie (IMB) in Mainz.
Organelle in lebender Zelle stellt künstliche Proteine her
Ein wesentlicher Antrieb für die Entstehung von höheren Lebensformen war die Entwicklung von Organellen innerhalb der Zellen. Organellen sind bestimmte, abgegrenzte Bereiche in einer Zelle, die verschiedene Funktionen übernehmen können. Mitochondrien zum Beispiel erzeugen Energie, der Zellkern speichert die Erbsubstanz, Chloroplasten in Pflanzen machen Photosynthese. Manche Organellen sind von einer Membran umschlossen, beispielsweise der Zellkern von der Kernmembran, andere Organellen sind membranlos. "Es wäre schwierig, eine künstliche Organelle mit einer Membran zu entwerfen, weil damit gleichzeitig ein gut funktionierendes System für den Transport von Molekülen durch die Membran benötigt wird", erklärt Prof. Dr. Edward Lemke. Es gelang ihm und seinem Team allerdings, komplett neue, membranlose Organellen innerhalb einer lebenden Zelle zu konstruieren. Die Zelle besitzt damit mehrere unterschiedliche genetische Codes.
Die neuen Organellen können synthetische Aminosäuren in Proteine einbauen und so Proteine mit neuartigen künstlichen Funktionen herstellen, die für verschiedene Anwendungen in der Biotechnologie, der Materialwissenschaft und der Biomedizin nutzbar sind. Beispielsweise könnten fluoreszierende Bausteine eingebaut werden, die mit bildgebenden Verfahren einen Blick ins Innere dieser Zelle erlauben, oder Antikörper-Medikamente, die zur gezielten Krebstherapie eingesetzt werden.
Schlüssel liegt in der Idee zur Konstruktion einer membranlosen Organelle
"Der Schlüssel zu unserem Durchbruch lag darin, die Idee zu verwerfen, dass ein Organell in einer Zelle von einer Membran oder einer ähnlichen Umgrenzung eingekapselt sein muss, damit es spezielle Funktionen ausführen kann", so Lemke. "Auf Basis dieses simplen, aber leistungsstarken Konzepts glauben wir, nun die einzigartige Möglichkeit zu haben, auch alle anderen wesentlichen Prozesse in der Zelle nachzubilden." Damit könnte den Erwartungen zufolge ein individuell anpassbares, parallel funktionierendes Zellsystem in der Zelle kreiert werden. Die Vision ist es, eine neue Zelle innerhalb einer lebenden Zelle heranwachsen zu lassen, Organelle um Organelle, Funktion um Funktion. "Dieser neue Ansatz erlaubt es uns, Schritt für Schritt die Entstehung von eukaryotischem Leben und eukaryotischem Altern zu beobachten und zu erforschen."
Die VolkswagenStiftung fördert das Forschungsvorhaben "De novo organism design from membraneless orthogonal central dogma organelles" im Rahmen der letzten Förderrunde der Initiative "Leben? – Ein neuer Blick der Naturwissenschaften auf die grundlegenden Prinzipien des Lebens". Mit dieser Förderinitiative möchte die VolkswagenStiftung Forschung an der Grenze zwischen den Natur- und Lebenswissenschaften unterstützen. Gefördert werden herausragende Projekte im Grenzbereich zwischen Natur- und Lebenswissenschaften mit Fragestellungen zu den Grundprinzipien des Lebens.
Edward Lemke ist Professor für synthetische Biophysik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und Adjunct Director am Institut für Molekulare Biologie (IMB). Er koordiniert das DFG-Schwerpunktprogramm "Molekulare Mechanismen funktioneller Phasenseparation". Im Jahr 2020 hat er einen ERC Advanced Grant in Höhe von 2,5 Millionen Euro für seine Forschungen erhalten.