News Release

Hunde unterscheiden zwischen absichtlichem und unabsichtlichem Verhalten

Peer-Reviewed Publication

Max Planck Institute of Geoanthropology

image: Dogs and experimenter sat on opposite sides of the partition. Dogs were fed through the gap in the partition. view more 

Credit: Katharina Schulte

Menschen und Hunde blicken auf eine lange gemeinsame Vergangenheit zurück, in deren Verlauf Hunde spezielle Fähigkeiten entwickelt haben, um in der menschlichen Umgebung zu leben und eine Bindung zum Menschen zu entwickeln. Das Ausführen von Kommandos wie „Sitz“ und „Platz“ ist nur ein Beispiel für ihre Fähigkeit auf den Menschen adäquat zu reagieren. Unklar ist jedoch, ob Hunde wirklich die Absichten des Menschen verstehen oder lediglich auf bestimmte Hinweisreize reagieren. Die Fähigkeit, die Intentionen Anderer zu verstehen, oder zumindest wahrzunehmen, ist eine Komponente der sogenannten „Theory of Mind“, also der Fähigkeit, mentale Zustände wie Wissen, Wünsche und Intentionen Anderen zuzuschreiben. Theory of Mind wurde lange als eine einzigartige menschliche Fähigkeit betrachtet. Die Frage der Studie war: Verstehen Hunde, wann Menschen absichtlich oder unabsichtlich handeln und verfügen damit über eine grundlegende Komponente der Theory of Mind?

Um dieser Frage nachzugehen, untersuchte ein Team deutscher Wissenschaftler:innen, wie Hunde reagieren, wenn ihnen Futter vorenthalten wurde, und zwar entweder absichtlich oder unabsichtlich. Sie fanden heraus, dass Hunde tatsächlich deutlich unterschiedliche Reaktionen zeigten. Dies belege, so die Wissenschaftler:innen, dass Hunde zwischen absichtlichem und unabsichtlichem Verhalten unterscheiden können.

In ihrer Studie nutzten die Wissenschaftler das sogenannte „Unable vs. Unwilling“ Test, bei dem ein Mensch entweder zu etwas nicht fähig (unable) oder nicht willens ist (unwilling). Bei diesem Test wird untersucht, ob Tiere (oder Kinder) unterschiedlich auf eine Person reagieren, die ihnen eine Belohnung vorenthält. Dies tut die Person entweder absichtlich (weil sie nicht willens ist) oder unabsichtlich (weil sie nicht in der Lage dazu ist, die Belohnung zu übergeben). Obwohl dieser Test bereits etabliert ist – sowohl bei der Erforschung von Menschen als auch von Tieren - wurde er noch nie mit Hunden durchgeführt. Dabei sind gerade für Hunde die menschlichen Intentionen vermutlich relevanter als für jede andere Art.

In der Studie wurden 51 private Familienhunde getestet. Jeder Hund durchlief drei Bedingungen. In jeder dieser Bedingungen, waren Hund und Versuchsleiterin durch eine transparente Trennwand voneinander getrennt. Die Hunde lernten zunächst, dass die Versuchsleiterin ihnen immer durch eine Öffnung in der Trennwand einzelne Futterstücke gibt. In allen drei Bedingungen wurde dieser Fütterungsprozess dann unterbrochen und die Belohnungen blieben auf dem Boden vor der Versuchsleiterin liegen. In der „Will nicht“-Bedingung, zog die Versuchsleiterin das Futterstück in einer absichtlichen Bewegung zurück und legte es vor sich auf den Boden. In der „Kann nicht - Ungeschickt“-Bedingung versuchte die Versuchsleiterin das Futter durch die Öffnung zu reichen, scheiterte dann aber, weil sie zu ungeschickt war, und die Belohnung fiel „aus Versehen“ vor ihr auf den Boden. In der dritten Bedingung, „Kann nicht-Blockiert“, scheitert die Versuchsleiterin, weil die Öffnung in der Trennwand plötzlich geschlossen worden war.

„Wenn Hunde tatsächlich Menschen Absichtlichkeit zuschreiben können,“ so Dr. Juliane Bräuer, „würden wir erwarten, dass sie verschiedene Reaktionen in der „Will nicht“ als in den beiden „Kann nicht“-Bedingungen zeigen. Und dies war tatsächlich der Fall.“

Als erste Reaktion erfassten die Wissenschaftler, wie lange die Hunde warteten, bevor sie sich der zuvor verwehrten Belohnung näherten - indem sie um die Absperrung herumliefen. Die Hypothese war folgende: wenn Hunde menschliche Absichtlichkeit erkennen können, dann sollen sie länger warten, bevor sie sich der willentlich verwehrten Belohnung nähern. Bei dem Futter, das die Versuchsleiterin ihnen eigentlich geben wollte, aber nicht konnte, gibt es hingegen keinen Grund zu zögern.

Tatsächlich warteten die Hunde länger in der „Will nicht“-Bedingung als in beiden „Kann nicht“-Bedingungen. Außerdem zeigten sie auch weitere Verhaltensunterschiede zwischen den Bedingungen. In der „Will nicht“-Bedingung setzten oder legten sie sich mit größerer Wahrscheinlichkeit hin, beides Handlungen die oft als Beschwichtigungsverhalten interpretiert werden. Außerdem hörten sie auf mit dem Schwanz zu wedeln, wenn ihnen das Futter willentlich verwehrt wurde.

„Die Hunde in unserer Studie reagierten eindeutig verschieden, je nachdem ob die Versuchsleiterin absichtlich oder unabsichtlich gehandelt hat,“ sagt Dr. Britta Schünemann, Erstautorin dieser Studie. „Das deutet darauf hin, dass Hunde tatsächlich in der Lage sein könnten menschliche Absichtlichkeit zu erkennen,“ fügt Prof. Hannes Rakoczy von der Universität Göttingen hinzu.

Das Team gibt zu bedenken, dass ihre Ergebnisse unter Vorbehalt interpretiert werden müssen. Weitere Forschung ist notwendig, um Alternativerklärungen auszuschließen. Zum Beispiel könnten die Hunde unbewusste Hinweise im Verhalten der Versuchsleiterin genutzt haben. Vermutlich spielt auch die persönliche Erfahrung der getesteten Hunde eine Rolle.

„Nichtsdestotrotz,“ schließt der Artikel, „die Ergebnisse dieser Studie stellen erste bedeutende Erkenntnisse dar, dass Hunde zumindest einen Aspekt der Theory of Mind haben könnten: Die Fähigkeit Absichtlichkeit zu erkennen.“


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