News Release

Nachwuchs geht seinen eigenen Weg

Neue Erklärung für die Dominanz von Generalisten unter den tropischen Bäumen

Peer-Reviewed Publication

Helmholtz Centre for Environmental Research - UFZ

image: A diverse, lowland tropical forest in the Panama Canal. On Barro Colorado Island this rain forest hosts more than 300 tree and shrub species. view more 

Credit: Stephan Getzin, UFZ

Diese Pressemitteilung ist verfügbar auf Englisch.

Leipzig. In tropischen Regenwäldern wachsen die jungen Bäume überwiegend räumlich unabhängig von ihren Elternbäumen auf. Wo die Nachkommen später Wurzeln schlagen werden, lässt sich demnach nicht vorhersehen. Wenig spezialisierte Arten sind daher auch in den sehr artenreichen Regenwäldern der Tropen im Vorteil. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der University of California und des Smithsonian Tropical Research Institutes, die jetzt im renommierten Fachblatt Proceedings of the Royal Society B erschienen ist.

Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler die Daten von sechs Waldinventuren aus den letzten Jahrzehnten auf der Insel Barro Colorado im Panama-Kanal ausgewertet. In diesem 50 Hektar großen Tieflandregenwald wachsen insgesamt 300 Baumarten. Davon wurden auf einer Fläche von 1000 x 500 Metern insgesamt 65 Arten ausgewählt, die mit jeweils mindestens 50 Exemplaren als Jung- und Elternbäume vertreten waren, um statistische Fehler zu vermeiden. Anschließend analysierten die Forscher die räumliche Verteilung zwischen den verschiedenen Generationen. Bei rund drei Viertel der Arten gab es keinen räumlichen Zusammenhang zwischen den Eltern und ihrem Nachwuchs. „Dieses Ergebnis war sehr überraschend, da die Samen in diesem Tropenwald meistens nicht sehr weit verbreitet werden und der Nachwuchs daher in der Nähe der Eltern wachsen sollte", erklärt Dr. Stephan Getzin vom UFZ. Die Forscher nennen das beobachtete Muster „Unabhängigkeit" und führen es auf räumliche Prozesse zurück, die – wie unter anderem die Verbreitung des Samens durch Tiere – stark vom Zufall abhängen. Die räumlichen Zufallsprozesse überlagern dabei die von der klassischen ökologischen Theorie vorhergesagten Abhängigkeiten und führen de facto zu Unabhängigkeit.

Die Ergebnisse der Studie stützen die sogenannte "Neutrale Theorie" von Stephen P. Hubbell von der University of California, der ebenfalls an dieser Publikation beteiligt war. Seine Theorie versucht, den Artenreichtum tropischer Regenwälder mit der vereinfachten Annahme zu erklären, dass sich alle Baumarten gleich verhalten. Auch hier spielen Zufallsprozesse eine große Rolle. In artenreichen Wäldern hat jeder Baum einer Art zufällige Nachbarn, so dass die Arten, laut Hubbell, zu Generalisten geworden sind, da sie ja nicht wissen, mit welchem Nachbarn sie konkurrieren. Die neue Studie zeigt nun, dass Zufallseinflüsse auch den Ort der Jungbäume in erheblichem Maße bestimmen, also den Habitattyp, in dem sie aufwachsen, und die Arten auch auf diese Weise zu Generalisten werden.

Die Daten des Tieflandregenwaldes aus Panama bilden zusammen mit den Stammfußkoordinaten eines bergreichen Regenwaldes aus Sri Lanka einen einmaligen Datensatz. In beiden Regenwäldern hat das Smithsonian Tropical Research Institute seit vielen Jahren mithilfe unzähliger Freiwilliger auf einer Fläche von 25 bis 50 Hektar jeden einzelnen Baum erfasst, dessen Stamm dicker als ein Bleistift ist. Aller fünf Jahre findet dort eine Waldinventur statt. Wahrscheinlich sind keine Wälder der Welt besser erfasst als diese beiden. Für Biodiversitätsforscher ergeben sich dadurch einmalige Chancen, die Interaktionen zwischen verschiedenen Pflanzenarten zu untersuchen. UFZ-Forscher nutzen dazu Regenwaldmodelle wie FORMIND und FORMIX3. „Unser Modell umfasst zwischen 50.000 und 100.000 Bäume, und jede Veränderung muss für jeden Baum berechnet werden. So kommen pro Simulationslauf zwei Millionen Parametersätze zusammen. Auch Hochleistungsrechner brauchen dafür ein bis zwei Wochen", erläutert Dr. Thorsten Wiegand vom UFZ.

Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse entstanden im Rahmen des Projektes „Spatiodiversity". Insgesamt zehn Wissenschaftler um die UFZ-Modellierer Dr. Thorsten Wiegand und Prof. Andreas Huth hatten in den letzten fünf Jahren mithilfe von Computermodellen Ökosysteme analysiert, um die Zusammensetzung und Dynamik von artenreichen Gemeinschaften in Tropenwäldern zu untersuchen. Diese Studien wurden vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit insgesamt über zwei Millionen Euro gefördert, da Fortschritte auf diesem Gebiet wichtig sind für den Schutz der Biodiversität im Zusammenhang mit Klima- und Landnutzungsänderungen und für die Berechnung von Kohlenstoffbilanzen.

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Tilo Arnhold


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