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Manche Bestäuber leisten einer Blütenpflanze nicht nur Hilfsdienste bei der Fortpflanzung, sondern legen im Anschluss an die Bestäubung ihre Eier ab. Daraus schlüpfen später gefräßige Raupen. Ihr unersättlicher Appetit kann das Todesurteil für die Pflanze bedeuten. Blüten locken also nicht nur Bestäuber sondern auch Fraßfeinde an. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena konnten in Feldversuchen nachweisen, dass der Duft und der Nektar des Kojotentabaks Nicotiana attenuata die Auskreuzungsrate, also den Genfluss zwischen unterschiedlichen Pflanzen, nach Bestäubung durch drei unterschiedliche Pollenüberträger erhöhen. Beide Blütenmerkmale, in stärkerem Maße aber die Menge des Nektars, beeinflussen die Anzahl der abgelegten Motteneier des Tabakschwärmers Manduca sexta. Natürliche Variationen von Duftintensität und Nektargehalt in wilden Pflanzen, die auch nektarfreie Blüten hervorbringen, sorgen also für einen hohen Fortpflanzungserfolg, während gleichzeitig die Fraßfeinde in Schach gehalten werden. Dies konnten Forscher erstmals nachweisen, indem sie erstmals Duft- und Nektarproduktion in Blüten und ihre Auswirkungen auf Bestäuber und Pflanzenfresser gleichzeitig untersuchten. (eLife, Juli 2015).
Blütenpflanzen duften, um Bestäuber anzulocken. Zur Belohnung für ihre Hilfe bei der Fortpflanzung gibt es für die Bestäuber süßen Nektar. Doch nicht immer beruht diese Wechselwirkung allein auf dem Prinzip eine Hand wäscht die andere". Manche Mottenweibchen legen nach Bestäuben der Blüten ihre Eier auf der Pflanze ab, aus denen dann hungrige Raupen schlüpfen, die das Überleben der Pflanze bedrohen. Ein Beispiel dafür ist der Tabakschwärmer Manduca sexta, der die Blüten des Kojotentabaks Nicotiana attenuata bestäubt, dessen Raupen aber verheerende Fraßschäden verursachen können.
Wie Wissenschaftler um Ian T. Baldwin herausgefunden haben, variieren in natürlichen Populationen dieser wilden Tabakpflanze die Konzentrationen und Mengen von Blütenduft und Nektar. Es gibt sogar Pflanzen, deren Blüten gar keinen Nektar produzieren und somit ihre Bestäuber mit ihrem Blütenduft an der Nase herumführen und die Belohnung vorenthalten. Um den Einfluss von Blütenduft und Nektar auf Bestäuber und Herbivoren unabhängig voneinander zu untersuchen, verwendeten die Forscher im Versuch Pflanzen, die genetisch so verändert worden waren, dass sie entweder kein Benzylaceton, dem Hauptbestandteil des Blütendufts, oder keinen Nektar produzieren konnten. Eine weitere Gruppe von Pflanzen konnte weder Blütenduft noch Nektar bilden. Diese Pflanzen wurden mit Hilfe einer Transformationstechnik hergestellt, die auf RNA-Interferenz (RNAi) beruht. Die Forscher untersuchten beide Blütenmerkmale erstmals gleichzeitig und unabhängig voneinander.
Untersucht wurden besonders die Auswirkungen dieser Merkmale auf die Auskreuzungsrate nach Bestäubung durch drei verschiedene Pollenlieferanten: den Tabakschwärmer Manduca sexta, den Linienschwärmer Hyles lineata, und den Kolibri Archilochus alexandri. Eine hohe Auskreuzungsrate wird erzielt, wenn bei der Bestäubung Pollen und somit die genetische Information einer Pflanze zu anderen Pflanzen getragen wird. Dies erhöht die genetische Vielfalt in der Pflanzenpopulation.
Während die Belohnung in Form süßen Nektars die Bestäuber von Blüte zu Blüte fliegen lässt, ist der Blütenduft ein Locksignal für diese Belohnung. Die Auswertung der Experimente ergab, dass sowohl Duft als auch Nektar dafür sorgen, dass Blüten häufiger von Bestäubern besucht werden.
Interessanterweise spielen dabei Duft und Nektar unterschiedlich wichtige Rollen für die drei getesteten Bestäuberarten. Andererseits wirken Duft und in noch stärkerem Maße Nektar direkt auf das Eiablageverhalten von Tabakschwärmer-Weibchen. Produziert eine Pflanze mehr Nektar, finden sich auf ihr auch mehr Eier.
Dass die Nektarproduktion das Eiablageverhalten von Tabakschwärmer-Motten stärker beeinflusst als der Blütenduft, hat die Forscher überrascht. Offensichtlich nutzen die Motten den Nektar als eine Art Indikator für die Größe oder den Gesundheitszustand der Pflanze und messen ihrem Nachwuchs größere Überlebenschancen bei, wenn sie auf Pflanzen heranwachsen, die viel Nektar produzieren. Manche Pflanzen täuschen hingegen die Anwesenheit von Nektar vor, profitieren aber von nektarproduzierenden Nachbarpflanzen und den getäuschten Bestäubern. Damit sind diese nektarfreien Pflanzen vor Raupenbefall stärker geschützt", erläutert Danny Kessler, der Erstautor der Studie.
Blüten sind mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Sie müssen die Auskreuzung und somit den Fortpflanzungserfolg sicherstellen. Dabei sind sie auf Bestäuber verschiedener Arten angewiesen, die bestimmte Vorlieben im Hinblick auf Blütenmerkmale haben und unterschiedliche Verhaltensweisen an den Tag legen. Gleichzeitig müssen die Blüten aber auch dafür sorgen, dass Motten nicht zu viele Eier auf der Pflanze ablegen. Fraßschädlinge und Bestäuber haben zur Evolution der Blütenmerkmale Duft und Nektar beigetragen. Es ist daher nicht sinnvoll, diese Merkmale nur im Hinblick auf das Anlocken von Bestäubern zu untersuchen", fasst Ian T. Baldwin zusammen, der in seiner Abteilung Molekulare Ökologie einen umfangreichen molekularen Baukasten für den Kojotentabak Nicotiana attenuata entwickelt hat.
Die Kombination beider Merkmale, Blütenduft und Nektarproduktion, erfordert daher eine gewisse Feinabstimmung um die Fitness einer Pflanze zu maximieren. Große Motten wie Manduca sexta legen wahrscheinlich längere Strecken innerhalb einer Nacht zurück als beispielsweise Kolibris, die nur in der Umgebung ihres Nestes Blüten besuchen. Da wilde Tabakpopulationen in der Natur oftmals isoliert anzutreffen sind, könnte Manduca sexta die Übertragung von Pollen über größere Entfernungen gewährleisten. [AO]
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Originalveröffentlichung:
Kessler, D., Kallenbach, M., Diezel, C., Rothe, E., Murdock, M., Baldwin, I. T. (2015). How scent and nectar influence floral antagonists and mutualists. eLife. doi:10.7554/eLife.07641. http://dx.doi.org/10.7554/eLife.07641
Weitere Informationen:
Danny Kessler, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str. 8, 07743 Jena, +49 3641 57-1126, E-Mail dkessler [at] ice.mpg.de
Ian T. Baldwin, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str. 8, 07743 Jena, +49 3641 57-1101, E-Mail baldwin [at] ice.mpg.de