News Release

Erste Hilfe im Gehirn: Wenn die Sprache plötzlich ausfällt

Warum nach einem Schlaganfall manche Sprachprobleme kompensiert werden können, andere jedoch nicht.

Peer-Reviewed Publication

Max Planck Institute for Human Cognitive and Brain Sciences

Research in Language Networks with the Help of Transcranial Magnetic Stimulation (TMS)

image: The scientists presume that the ability to compensate an impaired process by another part of the brain depends on the hierarchy level on which the language is perturbed: Processing the rhythm of a word is such a basic mechanism that cannot be simply overtaken by another part. They gained their insights by using the Transcranial Magnetic Stimulation (TMS, picture) view more 

Credit: MPI CBS

Miteinander zu sprechen ist eine komplexe Angelegenheit. Während wir uns unterhalten, müssen wir aus einer komplexen Flut an Lauten einzelne Wörter und Formulierungen erkennen. Gleichzeitig müssen wir uns eine Antwort überlegen und entsprechend die Bewegung von Lippen und Zunge planen, um diese auch hervorzubringen. Jeder einzelne Schritt, von der Analyse der Worte bis zur Produktion der Sprache, benötigt eine Reihe an Hirnarealen, die zusammenarbeiten. Bisher war jedoch kaum bekannt, wie diese Zusammenarbeit aussieht – oder was passiert, wenn eines der zentralen Areale verletzt ist.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig haben nun herausgefunden, was passiert, wenn zwei entscheidende Hirnareale für unser Sprachverständnis plötzlich inaktiv sind: Sie haben beobachtet, dass der Ausfall mancher Hirnbereiche des Sprachnetzwerkes kompensiert werden kann, der anderer Bereiche hingegen nicht.

„Ist das Areal beeinträchtigt, in dem wir die Bedeutung der Sprache verarbeiten, der sogenannte Gyrus angularis, kann unser Gehirn das gut kompensieren. Dann springt das benachbarte Areal, der Gyrus supramarginalis, ein und verstärkt seine Aktivität. Dies ist erstaunlich, da dieses Areal eigentlich dafür zuständig ist, die rhythmische Struktur der Wörter zu verarbeiten“, erklärt Studienleiterin Gesa Hartwigsen. Durch diesen Dienst könne die Bedeutung von Wörtern beinahe genauso schnell erkannt werden als wenn das eigentlich zuständige Areal diese Aufgabe erfülle. „Ist jedoch das Areal zur Verarbeitung der rhythmischen Struktur der Wörter selbst gestört, kann sein Ausfall kaum kompensiert werden und seine Aufgaben werden von keinem anderen Teil des Sprachnetzwerkes übernommen.“ Für uns wird es dann deutlich schwerer, die rhythmische Struktur eines Wortes zu verarbeiten, also seine Silben zu analysieren.

Die Wissenschaftler vermuten, dass die Fähigkeit, einen gestörten Prozess durch einen anderen Hirnbereich zu kompensieren, davon abhängt, auf welcher Hierarchieebene die Sprache gestört wird: Handelt es sich um einen derart grundlegenden Prozess wie die Verarbeitung der rhythmischen Struktur eines Wortes, kann er nicht einfach von anderen Bereichen übernommen werden. Komplexere Verarbeitungsschritte wie die Bedeutungsanalyse können jedoch von einfacheren Prozessen unterstützt werden, da sie auf diesen aufbauen. Allgemeinere Prozesse können dann unterstützend herangezogen werden um so die Verarbeitung aufrechtzuerhalten.

Aus diesem Erkenntnissen schließen Hartwigsen und ihr Team zweierlei: „Wir können nun zum einen abschätzen, welche Schädigungen sich etwa nach einem Schlaganfall am ehesten kompensieren lassen und worauf es sich lohnen könnte, in Zukunft verstärkt die Therapie auszurichten, beispielsweise auf das Netzwerk, das dann einspringt“, so die Leiterin der Forschungsgruppe Modulation von Sprachnetzwerken.

Zum anderen konnten sie dadurch die Hypothese vom hierarchischen Aufbau der Sprache bestätigen. Demnach bauen während der Verarbeitung von Sprache komplexe Schritte auf einfacheren auf. Bevor wir also die Bedeutung eines Wortes analysieren, verarbeiten wir also zunächst dessen Laute.

Untersucht haben die Neurowissenschaftler diese Zusammenhänge mithilfe der sogenannten transkraniellen Magnetstimulation, kurz TMS. Durch diese Methode kann die Aktivität einzelner Hirnregion für kurze Zeit gestört und so die Reaktion des Gehirns auf diese Beeinträchtigung untersucht werden. Die TMS nutzt dazu Magnetfelder, um mittels elektrischer Stimulation durch den Schädel einzelne Hirnbereiche gezielt zu hemmen oder zu erregen. In diesem Falle hemmte das Team um Hartwigsen bei 17 gesunden Studienteilnehmern für kurze Zeit jeweils das Sprachareal für die Analyse der Wortbedeutung oder der rhythmischen Struktur. Daraufhin verglichen sie die Leistungen der Teilnehmer in sprachlichen Aufgaben.

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