Cannabis ist heute eine der berühmt-berüchtigsten Pflanzen weltweit, insbesondere hinsichtlich der sich schnell ändernden Gesetzgebung in Bezug auf seine Legalisierung in Europa und Amerika. Trotz der Beliebtheit der Pflanze aufgrund ihrer psychoaktiven Wirkungen ist über ihre Kultivierung und den frühen Gebrauch aufgrund dieser Wirkungen noch wenig bekannt. Cannabispflanzen wurden in Ostasien seit mindestens 4000 v.Chr. wegen ihres öligen Samens und ihrer Pflanzenfasern angebaut. Die früh kultivierten Cannabis-Sorten sowie die meisten Wildbestände besitzen jedoch nur einen geringen Anteil an THC- und anderen Cannabinoid-Verbindungen. Daher war es lange Zeit eine offene Frage, wann und wo bestimmte Sorten der Pflanze mit höheren Anteilen dieser psychoaktiven Verbindungen zuerst vom Menschen erkannt und verwendet wurden. In der Geschichtsforschung werden die Ursprünge des Cannabisrauchens vielfach in den zentralasiatischen Steppen verortet, aber diese Annahme basiert allein auf einer einzelnen Passage eines historischen Textes aus dem späteren ersten Jahrtausend v. Chr., geschrieben vom griechischen Historiker Herodotus. In der Archäologie ist man daher seit langem bestrebt, konkrete Beweise für das Rauchen von Cannabis in Eurasien zu finden. Dennoch gibt es bis heute nur wenige zuverlässige, gut identifizierte und gut datierte Beispiele für frühen Cannabiskonsum.
Den in der aktuellen Studie berichteten frühen Cannabisgebrauch entdeckte ein Forschungsteam als es versuchte, die Funktionsweise hölzerner Räuchergefäße festzustellen, welche von Archäologen der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften bei Ausgrabungen in den Hochgebirgsregionen Ostchinas entdeckt worden waren. Die Gefäße wurden aus 2500 Jahre alten Gräbern im Pamir-Gebirge geborgen. Um die in ihnen konservierten Verbindungen zu isolieren und zu identifizieren nutzte das Team das Verfahren der Gaschromatographie-Massenspektrometrie. Überraschenderweise entsprach die chemische Signatur der isolierten Verbindungen genau der chemischen Signatur von Cannabis. Darüber hinaus deutete die Signatur auf einen höheren THC-Wert hin, als er normalerweise in wilden Cannabispflanzen vorkommt.
Die im Rahmen der Studie gewonnenen Daten belegen eindeutig, dass die Menschen im Pamir-Gebirge damals Cannabissorten mit einem höheren THC-Gehalt verbrannten. Dieses Ergebnis bestätigt weitere frühe Belege für Cannabis in Bestattungsstätten weiter nördlich in der chinesischen Region Xinjiang und im russischen Altai-Gebirge. Nicole Boivin, Direktorin am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, bemerkt: "Die Ergebnisse unterstreichen die Annahme, dass Cannabispflanzen erstmals in den Bergregionen im Osten Zentralasiens ihrer psychoaktiven Bestandteile wegen verwendet wurden und sich ihr Gebrauch von hier aus auf andere Regionen der Welt ausweitete".
Cannabis verbreitete sich wahrscheinlich entlang der frühen Seidenstraße.
Die THC-haltigen Rückstände wurden aus Räuchergefäßen gewonnen, die von der Begräbnisstätte Jirzankal im Pamirgebirge im abgelegenen Westen des heutigen China stammen. Einige der menschlichen Überreste, die an dieser Fundstätte geborgen wurden, weisen ähnliche Merkmale auf wie zeitgenössische Bevölkerungsgruppen weiter westlich in Zentralasien. Auch Artefakte, die in den Gräbern gefunden wurden, scheinen diese Population mit Menschen weiter westlich in den Bergausläufern Innerasiens zu verbinden. Darüber hinaus zeigen Stabile Isotopen-Analysen der menschlichen Knochen aus Jirzankal, dass nicht alle dort bestatteten Menschen vor Ort aufwuchsen.
Diese Daten stimmen mit der Vorstellung überein, dass die hochgelegenen Bergpässe Mittel- und Ostasiens eine Schlüsselrolle im frühen transeurasischen Austausch gespielt haben. Tatsächlich könnte die heute so abgelegene Pamir-Region, einst auf einer Hauptroute der frühen Seidenstraße gelegen haben. Die Seidenstraße war zu bestimmten Zeiten nicht nur die wichtigste Route für die Verbreitung von Gütern, sondern auch für den kulturellen Austausch und die Verbreitung kultureller Merkmale. Robert Spengler, leitender Archäobotaniker der Studie, ebenfalls am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, erklärt: "Die Austauschrouten der frühen Seidenstraße funktionierten eher wie die Speichen eines Wagenrads als wie eine Fernstraße und rückten Zentralasien in den Mittelpunkt der damaligen Welt. Unsere Studie impliziert, dass das Wissen über das Rauchen von Cannabis und spezifische Cannabissorten mit hohem Wirkstoffgehalt zu den kulturellen Traditionen gehören, die sich entlang dieser Routen ausbreiteten."
Die Menschen sammelten und kultivierten stärker wirksame Cannabissorten für den Gebrauch bei Bestattungsritualen
Im Vergleich zu Kulturpflanzen enthalten wilde Cannabispflanzen weniger THC, die am stärksten psychoaktive Verbindung des Cannabis. Es ist noch nicht geklärt, ob die Menschen in Jirzankal Cannabis selbst anbauten, oder ob sie Pflanzen mit höherem THC-Gehalt lediglich gezielt sammelten. Eine Theorie lautet, dass Cannabispflanzen als Reaktion auf erhöhte UV-Strahlung und andere Stressoren, die mit dem Wachstum in höheren Lagen zusammenhängen, größere Mengen an Wirkstoffen produzieren. So könnten Menschen, die durch die Hochgebirgsregionen zogen, dort Wildpflanzen mit höherem Wirkstoffgehalt entdeckt und eine neue Art der Nutzung der Pflanze initiiert haben.
Während heute Cannabis in erster Linie als Freizeitdroge oder für medizinische Anwendungen eingesetzt wird, kann Cannabis in der Vergangenheit sehr unterschiedlich verwendet worden sein. Die Entdeckungen von Jirzankal deuten darauf hin, dass Menschen Cannabis bei Ritualen zum Gedenken an die Toten verbrannt haben. Sie begruben ihre Verwandten in Gräbern, über denen sie kreisförmige Hügel, Steinringe und Streifenmuster aus schwarzen und weißen Steinen schufen.
Ob Cannabis in der damaligen Gesellschaft auch anders verwendet wurde, ist nicht geklärt, obwohl es wahrscheinlich ist, dass die Fähigkeit der Pflanze, eine Vielzahl von Krankheiten und Symptomen zu behandeln, frühzeitig erkannt wurde. Yimin Yang, Wissenschaftler an der Universität der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking, erklärt: "Diese Studie zum frühen Cannabiskonsum hilft uns, frühe kulturelle Praktiken des Menschen zu verstehen, und spricht für das intuitive menschliche Wissen um natürliche chemische Bestandteile in Pflanzen." Yang erforscht seit über zehn Jahren organische Rückstände aus archäologischen Fundstätten in Ostasien. Für ihn eröffnen "Biomarker-Analysen ein einzigartiges Fenster zur Erforschung der frühen Nutzung von Pflanzen, wie es andere archäologische Methoden nicht leisten können".
Professor Boivin weist darauf hin, dass "archäologische Studien wie diese angesichts des modernen politischen Klimas um den Cannabiskonsum dazu beitragen können, die Ursprünge der zeitgenössischen kulturellen Praxis und Glaubensstrukturen zu verstehen, die wiederum die Politik beeinflussen können". Und Dr. Spengler bemerkt: "Die modernen Perspektiven auf Cannabis variieren kulturübergreifend enorm, aber es ist klar, dass die Pflanze über Jahrtausende hinweg durch den Menschen genutzt wurde, sei es medizinisch, rituell oder zur Entspannung."
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Gemeinsame Pressemitteilung der Universität der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte.
Journal
Science Advances