Science hat In der Januar Edition zwei Artikel von Associate Prof. Emma Schymanski, FNR-ATTRACT Stipendiatin und Leiterin der Forschungsgruppe Environmental Cheminformatics am Luxembourg Centre for Biomedicine Systems der Universität Luxemburg, veröffentlicht. Eine eindrucksvolle Bestätigung für die Relevanz des Forschungsschwerpunktes ihres Teams: die Entwicklung von Methoden zur Identifizierung unbekannter Chemikalien und ihrer Auswirkungen auf Gesundheit und Krankheit.
In den beiden in der Zeitschrift Science veröffentlichten Review-Artikeln präsentieren Prof. Schymanski und ihre Co-Autoren das Exposom, ein neuartiges Konzept, das die Vielfalt der Umweltfaktoren, die uns beeinflussen können, erfassen soll. Weiterhin fassen sie auch neue technologische Fortschritte und Analyseinstrumente zusammen, mit denen solche Chemikalien identifiziert und ihre Auswirkungen verstanden werden können.
Die Summe aller Umweltfaktoren
Das Exposom ist die Summe aller Umweltfaktoren, die unsere Gesundheit beeinflussen: eine Kombination aus äußeren Faktoren wie Chemikalien in der Luft, im Wasser oder in der Nahrung und aus inneren Komponenten, die unser Organismus als Reaktion auf verschiedene Belastungen produziert. Es ist schwierig, diese komplexe und sich ständig weiterentwickelnde Zusammensetzung vollständig zu erfassen. Die Autoren des ersten Reviews1 beschreiben die jüngsten Fortschritte, die bei dieser Aufgabe helfen werden, wie die Entwicklung der hochauflösenden Massenspektrometrie, einer Technologie, die Zehntausende von Verbindungen in biologischen und Umweltproben erkennen kann. In Verbindung mit wachsenden Datenbanken mit Informationen über alle bekannten Chemikalien und leistungsfähigen Computerprogrammen zur Analyse großer Datenmengen könnten diese neuen technologischen Fortschritte die Umweltüberwachung revolutionieren.
Ein komplexes Netzwerk von Chemikalien
Dieser erste Artikel unterstreicht auch die Bedeutung das Ganze als Netzwerk zu betrachten, das sowohl die große Anzahl von Chemikalien, denen wir täglich ausgesetzt sind, als auch die komplexe Art und Weise, wie sie mit unseren Zellen interagieren, berücksichtigt. Daher ist der Schwerpunkt des zweiten Artikels2 , wie Gruppen von Chemikalien in verschiedenen Proben, von Wasser und Boden bis hin zu biologischen Geweben, charakterisiert und Mischungen identifiziert werden können, die ein kombiniertes Risiko darstellen. "Innovative Techniken zur Probensammlung wie Feuchttücher oder Silikonarmbänder können zur Messung der persönlichen Belastung eingesetzt werden", erklärt Prof. Schymanski. "Wir haben auch die Bedeutung von nicht zielgerichteten Analysen zur Identifizierung unbekannter Verunreinigungen betrachtet und zeigen das Potenzial von in vitro-Tests zur Beurteilung der Toxizität komplexer Gemische auf, auch wenn chemischen Verbindungen unbekannt bleiben."
"Beide Artikel zeigen, wir benötigen einen Forschungsaufwand, der mit dem für das menschliche Genom vergleichbar ist. Nur so können wir detaillierte Kenntnisse über den Cocktail der Substanzen, denen wir ausgesetzt sind, und deren komplexe Wechselwirkungen mit lebenden Organismen erhalten", betont Prof. Schymanski.
Viele Herausforderungen bleiben bestehen: Datenbanken müssen harmonisiert und vollständig zugänglich gemacht werden, statistische Methoden müssen verfeinert werden, um die Konstellation von Chemikalien aus ähnlichen Quellen zu berücksichtigen. Methoden sollten außerdem standardisiert werden. Trotz der Schwierigkeiten sind die Perspektiven enorm.
Bedarf für Forschung zu Umweltqualität und Gesundheit
Laut des europäischen Berichtes mit dem Titel "The Environment in Europe - State and Outlook 2020" stehen wir vor Umweltherausforderungen von beispiellosem Ausmaß. Die Zahl der neuen Chemikalien ist zwischen 2002 und 2019 von 20 auf 156 Millionen angestiegen. Pestizide, Industriechemikalien oder Medikamente können in die Umwelt und die Nahrungskette gelangen und möglicherweise unerwünschte Auswirkungen und Krankheiten verursachen. Die medizinische Forschung schätzt, dass neun Millionen Todesfälle pro Jahr weltweit mit Umweltverschmutzung zusammenhängen. Diese Zahl verdeutlicht den Forschungsbedarf, die chemische Komplexität unserer Welt zu erfassen und die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Umweltqualität und Gesundheit aufzuklären.
Genauso wie groß angelegte genomische Studien den Nachweis vieler genetischer Variationen im Zusammenhang mit Krankheiten ermöglichten, würde die Durchführung exposomweiter Assoziationsstudien mit Hunderttausenden von Teilnehmern helfen, die wichtigsten chemischen Risikofaktoren zu identifizieren und deren Auswirkungen auf die individuelle Gesundheit zu verstehen. Auf diese Weise könnten Umweltrisiko-Scores erstellt werden, aus denen individuelle Präventions- und Behandlungsstrategien entwickelt werden können. "Die Forschung am Exposom wird nicht nur wichtige Informationen für den einzelnen Patienten liefern, sondern auch den notwendigen Wandel der bestehenden Politik unterstützen", erläutert Prof. Schymanski. Durch ihre Unterstützung können sich die Behörden auf die Chemikalien mit den größten negativen Auswirkungen und deren kombinierten Wirkung konzentrieren und so dazu beitragen, diese Auswirkungen auf unsere Gesundheit und die Ökosysteme, in denen wir leben, zu minimieren.
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Referenzen:
1 The exposome and health: where chemistry meets biology: DOI: 10.1126/science.aay3164
2 Tracking Complex Mixtures of Chemicals in our Changing Environment: DOI 10.1126/science.aay6636
Journal
Science