News Release

Wie in der Tiefsee ein Filter für Treibhausgas entsteht

Bremer Meeresforschern erstmalig gelungen, die Besiedelung eines Schlammvulkans in der Tiefsee nach einem Ausbruch zu beobachten.

Peer-Reviewed Publication

Max Planck Institute for Marine Microbiology

Taking Samples

image: The submersible takes samples in the mud around Håkon Mosby mud volcano. With this tube so-called sediment cores can be taken, which allow an insight into the community of organisms on the surface and deeper in the sediment. view more 

Credit: MARUM - Centre for Marine Environmental Sciences, University of Bremen

Im Meeresboden lagern große Mengen des Treibhausgases Methan. Doch zum Glück gelangt nur ein kleiner Teil des Methans in die Atmosphäre und kann dort seine Wirkung als klimarelevantes Gas entfalten, denn es wird zum großen Teil bereits im Sediment wieder abgebaut. Den Abbau erledigt eine spezialisierte Mikrobengemeinschaft. Sie schafft es, bis zu 90 Prozent des austretenden Methans abzubauen. Daher nennt man diese Mikroben den „mikrobiellen Methanfilter“. Würde das Treibhausgas durchs Wasser aufsteigen und in die Atmosphäre gelangen, könnte das deutliche Auswirkungen auf unser Klima haben.

Doch nicht überall arbeiten die Mikroben so effizient. An jenen Stellen des Meeresbodens, an denen es turbulenter als anderswo zugeht – beispielsweise an Gasaustritten oder sogenannten Unterwasservulkanen -, entfernen die Mikroben gerade mal ein Zehntel bis ein Drittel des austretenden Methans. Warum ist da so? Mit dieser Frage haben sich Emil Ruff und seine Kollegen vom Bremer Max-Planck-Institut und der Universität Bremen beschäftigt.

Methanabbau rund um den Schlammvulkan

In der norwegischen Nordsee liegt auf 1250 Metern Wassertiefe der Håkon Mosby Schlammvulkan. Warmer Schlamm steigt hier aus tiefen Schichten des Meeresbodens empor. In einem Langzeitexperiment ist es Ruff und seinen Kolleginnen und Kollegen gelungen, den Austritt des Schlamms zu filmen und Proben zu nehmen, die anschließend genau untersucht wurden. “Wir fanden deutliche Unterschiede in den verschiedenen Lebensgemeinschaften vor Ort. In frischem Schlamm, der eben erst ausgetreten war, fanden wir nur wenige Organismen. Je älter der Schlamm war, desto mehr Lebewesen waren darin enthalten”, berichtet Ruff. Innerhalb weniger Jahre nach dem Austritt verzehnfachte sich sowohl die Anzahl der Mikroorganismen als auch deren Vielfalt. Auch die Stoffwechselleistung der Mikrobengemeinschaft stieg im Laufe der Zeit stark an. Zwar waren auch schon im ganz jungen Schlamm Methanabbauer vorhanden, doch eine effiziente Filterung des Treibhausgases erfolgt wohl erst nach Jahrzehnten.

„Die Studie hat uns neue Einblicke in diese einzigartigen Lebensgemeinschaften ermöglicht,“ so Ruff. „Sie zeigt aber auch, dass diese Lebensräume geschützt werden müssen. Wenn die Methanfresser weiterhin helfen sollen, das Methan zu entfernen, dann dürfen wir ihre Lebensräume nicht mit Schleppnetzen und Tiefseebergbau zerstören. Diese Lebensräume sind fast wie ein Regenwald – sie brauchen Jahrzehnte, um nach einer Störung wieder zu wachsen.“

Internationale Tiefseeforschung

Antje Boetius, Mitautorin der Studie, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und Leiterin der Forschungsgruppe für Tiefseeökologie und Technologie am Bremer Max-Planck-Institut und am AWI, betont, wie wichtig nationale und internationale Kooperationen sind, um solche Forschungsergebnisse zu erzielen: „Diese Studie war nur möglich war durch die langfristige Zusammenarbeit zwischen dem AWI, dem MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen und dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie mit internationalen Partnern in Norwegen, Frankreich und Belgien. Im Rahmen verschiedener EU-Projekte war es uns möglich, einzigartige Tiefsee-Technologien einzusetzen und so den Håkon Mosby-Schlammvulkan und seine Bewohner in vielen Details zu untersuchen “, so Boetius.

Hintergrund: Der Håkon Mosby-Schlammvulkan

Der nach dem norwegischen Ozeanographen Håkon Mosby benannte Schlammvulkan wurde 1990 von einem internationalen Forscherteam in der Barentssee in einer Wassertiefe von 1250 Metern ent-deckt. Aus dem Zentrum des etwa einen Quadratkilometer großen Vulkans strömt neben Wasser und Schlamm auch Gas. Es besteht zu 99 Prozent aus Methan und steigt aus rund zwei Kilometern Tiefe unterhalb des Meeresbodens.

Håkon Mosby ist ein sehr flacher Schlammvulkan, der maximal zehn Meter über den Meeresboden herausragt. Rund um den Krater gibt es drei stark von einander abgegrenzte, ringförmige Zonen: das Zentrum, ein mittlerer und ein äußerer Ring. Die drei Zonen sind völlig unterschiedlich besiedelt, haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Methan ist jeweils die Hauptnahrungsquelle der dort lebenden Organismen. Dabei wird das meiste Gas in der äußersten Vulkanzone verbraucht, was sich folgendermaßen erklärt: Im zentralen und mittleren Bereich steht den Organismen zwar viel Methan zur Verfügung, doch es fehlt Sauerstoff oder Sulfat, welches notwendig ist, um das Methan veratmen zu können. In der äußeren Zone des Vulkans ist die Situation anders. Röhrenwürmer, die bis zu 60 Zentimeter tief in den Boden wachsen, pumpen aktiv das Meerwasser und damit auch Sulfat in tiefere Bodenschichten. Die an ihren Wurzeln lebenden Organismen können dank dieser lebenden Pumpen auch dort Methan umsetzen, wo es normalerweise kaum möglich wäre. Dort entweicht fast kein Gas ins Meer. Das zeigt, dass erst durch das komplexe Zusammenspiel von Lebensgemeinschaften im Meeresboden wirksame biologische Filter für Treibhausgase entstehen können.

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Weiterführende Links:

Videomaterial vom Håkon Mosby Schlammvulkan: https://www.youtube.com/watch?v=UzYFzpCui2U

Frühere Pressemeldung zum HMMV: https://www.mpi-bremen.de/en/Research-at-the-Haakon-Mosby-Mud-Volcano.html

Originalveröffentlichung:

S. E. Ruff, J. Felden, H. R. Gruber-Vodicka, Y. Marcon, K. Knittel, A. Ramette, A. Boetius: In situ development of a methanotrophic microbiome in deep-sea sediments. The ISME Journal. Veröffentlicht online 28. August 2018.

https://www.nature.com/articles/s41396-018-0263-1

https://doi.org/10.1038/s41396-018-0263-1


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