Bei Patienten, die langfristig mit entzündungshemmenden Steroiden behandelt werden, können sich Nebenwirkungen im Stoffwechsel bemerkbar machen. Forscherinnen und Forscher am Helmholtz Zentrum München und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), Mitglieder im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD), konnten nun einen Mechanismus aufklären, der zu diesem sogenannten Steroid-Diabetes führt. Die Ergebnisse sind in Nature Communications nachzulesen.
Glukokortikoide wie Kortison werden seit vielen Jahrzehnten für die Behandlung von Entzündungskrankheiten wie Asthma oder Rheuma eingesetzt und sind das meistverschriebene Präparat zur entzündungshemmenden Behandlung, erklärt Prof. Dr. Henriette Uhlenhaut, Gruppenleiterin am Institut für Diabetes und Adipositas des Helmholtz Zentrums München (IDO) sowie am Genzentrum der LMU. Aber auch bei Autoimmunerkrankungen, Organtransplantationen oder Krebs kommen sie zur Anwendung. Schätzungen zufolge werden in der westlichen Welt zwischen ein und drei Prozent der Menschen damit behandelt, was in Deutschland zurzeit über einer Million Menschen entsprechen würde.
Allerdings wird ihr vielseitiger Einsatz durch verschiedene Nebeneffekte beschränkt, die bei der Therapie auftreten können. Dazu gehören unter anderem unerwünschte Einflüsse auf den Stoffwechsel.* Denn nachdem die Glukokortikoide an ihren Rezeptor in den Körperzellen gebunden haben, beginnt dieser damit, zahlreiche Gene ein- und auszuschalten. Dazu zählen auch verschiedene Stoffwechselgene, was in der Konsequenz zum sogenannten Steroid-Diabetes führen kann, so Henriette Uhlenhaut.
In der aktuellen Studie untersuchte ihr Team gemeinsam mit Kollegen vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin, dem Salk Institute in San Diego und der Universität Freiburg nach den genauen Mechanismen, die nach der Bindung der Steroide an den Rezeptor ablaufen.
Dabei fiel uns vor allem der Transkriptionsfaktor E47 auf, der gemeinsam mit dem Glukokortikoid-Rezeptor für die veränderten Genaktivitäten speziell in Leberzellen sorgt, erklärt Charlotte Hemmer, Doktorandin am IDO und Erstautorin der aktuellen Arbeit. Diesen Zusammenhang konnten wir durch genomweite Analysen und genetische Experimente herausarbeiten.
Um ihre Erkenntnisse zu erhärten, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Zusammenhänge auch in einem präklinischen Modell. Tatsächlich führte hier das Fehlen von E47 zu einem Schutz vor den negativen Effekten der Glukokortikoide, während die Steroidgabe bei intaktem E47 mit Stoffwechselveränderungen wie Überzucker, erhöhten Blutfetten oder einer Fettleber verbunden war, so Charlotte Hemmer.
Da die Komponenten des neu gefundenen Mechanismus auch beim Menschen existieren, möchten Uhlenhaut und ihr Team gemeinsam mit klinischen Kooperationspartnern künftig herausfinden, ob sich die Ergebnisse dort bestätigen. In diesem Fall könnten sich neue therapeutisches Eingriffsmöglichkeiten anbieten, um den Nebenwirkungen einer Steroid-Therapie durch sicherere Immunsuppressiva entgegenzuwirken, hofft Henriette Uhlenhaut mit Blick auf die Zukunft.
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Weitere Informationen
* Glukokortikoide zählen zu den Kortikosteroiden, einer Klasse von Steroidhormonen aus der Nebennierenrinde. Ihr Name leitet sich von ihrer Funktion im Zuckerstoffwechsel ab, wo sie die Umwandlung von Eiweiß (Protein) in Glukose und Glykogen fördern.
** Transkriptionsfaktoren sind Proteine, die dafür sorgen, dass bestimmte Gene abgelesen werden oder eben nicht. Dafür beeinflussen (fördern oder behindern) sie in der Regel die Bindung der RNA-Polymerase an die DNA-Sequenz, die für das entsprechende Gen kodiert.
Hintergrund:
Das aktuelle Projekt wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Für ihre Arbeiten zu den regulatorischen Prozessen am Glukokortikoid-Rezeptor erhielt Henriette Uhlenhaut 2014 zudem einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC).
Original-Publikation:
Hemmer, MC et al. (2019): E47 modulates hepatic glucocorticoid action. Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-018-08196-5
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Journal
Nature Communications