Rund um die Welt suchen Physiker nach einer Erklärung für das Phänomen, dass es in unserem Universum Materie überhaupt gibt. Eigentlich hätten sich Materie und Antimaterie nach dem Urknall gegenseitig auslöschen müssen. Durch Symmetrie-Experimente mit tragbaren Antiprotonen möchte Dr. Christian Smorra, zurzeit am japanischen Forschungsinstitut RIKEN tätig, diesem Phänomen nachgehen und neue Erkenntnisse zu einem der größten Rätsel der Physik beisteuern. Der Europäische Forschungsrat (European Research Council - ERC) unterstützt das Projekt mit der Bezeichnung STEP "Symmetry Tests in Experiments with Portable Antiprotons" mit einem ERC Starting Grant in Höhe von 1,8 Millionen Euro. Das Projekt wird in den kommenden fünf Jahren an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) realisiert.
Durch das Standardmodell der Teilchenphysik und die Allgemeine Relativitätstheorie haben wir ein recht gutes Verständnis von den fundamentalen Vorgängen in unserer Welt. "Allerdings liefern uns die experimentellen Beobachtungen bis heute keine zufriedenstellenden Antworten auf eine Unmenge offener Fragen, zum Beispiel der Frage, warum wir in unserem Universum nicht die kleinste Spur von Antimaterie finden", erklärt Christian Smorra. Zum Zeitpunkt des Urknalls muss Materie und Antimaterie in gleichem Maße vorhanden gewesen sein. "Aber wir wissen nicht, was mit der Antimaterie dann passiert ist. Um ein besseres Verständnis zu erhalten, müssen wir die Bausteine der Antimaterie mit größtmöglicher Genauigkeit vermessen."
Transportfalle für die Untersuchung von Antiprotonen im Mainzer Präzisionslabor
Ziel der geplanten Antiteilchenexperimente sind Präzisionsmessungen an Antiprotonen, also sozusagen an den Gegenspielern der Protonen. Die Antiprotonen sollen am europäischen Forschungszentrum CERN bei Genf in Zusammenarbeit mit der BASE-Kollaboration am Antiproton Decelerator (AD) erzeugt werden. Es ist die einzige Anlage weltweit, die Antiprotonen mit niedriger Energie zur Verfügung stellt. Im Rahmen des ERC-Projekts wird Smorra eine Transportfalle entwickeln und die am CERN produzierten Teilchen in dieser Falle nach Mainz transportieren. Langfristig sollen die Partikel hier im Präzisionslabor vermessen werden - ohne die Störfaktoren wie Magnetfeldfluktuationen und Radiofrequenzrauschen, die in der AD-Halle auftreten.
Bereits jetzt wird im Rahmen der BASE-Kollaboration am Institut für Physik der JGU ein Präzisionsexperiment an Protonen durchgeführt. Als Teil des neuen Forschungsprogramms soll hier zudem eine neue Art von Penningfallensystem entwickelt werden, um die gefangenen Antiprotonen bei ultrakalten Temperaturen zu vermessen. Damit soll die Genauigkeit für den Vergleich von Antiprotonen und Protonen weiter gesteigert werden.
Fokus liegt auf der Suche nach Unterschieden zwischen Proton und Antiproton
Anhand der Messergebnisse können Smorra und sein Team dann nach Symmetriebrechungen suchen, das heißt nach Unterschieden in den Eigenschaften von Teilchen und Antiteilchen, wie zum Beispiel in den Ladung-zu-Masse-Verhältnissen. Außerdem werden die Physiker nach weiteren Wechselwirkungen, die bislang noch nicht beobachtet wurden, Ausschau halten. "Eine mögliche neue Wechselwirkung wäre eine modifizierte Gravitation oder aber, wenn etwa Dunkle Materie an Antiprotonen koppelt", so Smorra. Kosmologische Beobachtungen deuten darauf hin, dass es im Weltall außer der uns bekannten Materie auch unsichtbare Dunkle Materie geben muss - deren Zusammensetzung und Eigenschaften aber noch vollkommen unbekannt sind.
Penningfallen zur Speicherung und Untersuchung geladener Teilchen
Zentrales Instrument von Smorras Arbeiten sind die Penningfallen, die zur Aufbewahrung, für den Transport und die Vermessung von Antiprotonen, wie übrigens auch für Protonen und andere geladene Teilchen, verwendet werden. Sie stellen ein ideales Werkzeug dar, um fundamentale Eigenschaften von geladenen Teilchen zu vermessen. "Wir versuchen ständig, diese Fallen zu verbessern, um die Genauigkeit zu erhöhen", sagt Smorra.
Christian Smorra, geboren 1982, hat in Mainz Physik studiert und an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg in Experimentalphysik promoviert. Als Postdoc war er anschließend am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg tätig. Gefördert durch ein CERN-Fellowship und als Mitarbeiter des japanischen Forschungsinstituts RIKEN arbeitet Smorra seit 2012 für die BASE-Kollaboration am Forschungszentrum CERN und an der Universität Mainz. Im Rahmen der ERC-Förderung wird er eine Arbeitsgruppe am Institut für Physik der JGU aufbauen.
Der ERC Starting Grant ist eine der höchstdotierten Fördermaßnahmen der EU, die an junge Wissenschaftler vergeben wird. ERC Starting Grants unterstützen herausragende Wissenschaftler am Anfang ihrer Karriere, wenn sie ihr eigenes Forschungsteam oder Forschungsprogramm aufbauen. Zusätzlich zur wissenschaftlichen Exzellenz müssen die Antragsteller den bahnbrechenden Ansatz ihres Projekts und seine Machbarkeit nachweisen, um die Förderung zu erhalten.
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