News Release

Einzigartiger Quantensimulator öffnet Tür zu neuer Forschung

Peer-Reviewed Publication

Paul Scherrer Institute

Andreas Läuchli und Andreas Elben

image: Die beiden PSI-Physiker Andreas Läuchli (links) und Andreas Elben waren an der Entwicklung eines neuartigen digital-analogen Quantensimulators beteiligt. view more 

Credit: © Paul Scherrer Institut PSI/Mahir Dzambegovic

Einzigartiger Quantensimulator öffnet Tür zu neuer Forschung

Im Labor von Google haben Physiker einen neuartigen digital-analogen Quantensimulator gebaut, mit welchem physikalische Prozesse mit ungeahnter Präzision und Flexibilität untersucht werden können. Massgeblichen Anteil am Erfolg hatten zwei Physiker vom Zentrum für Computergestützte Wissenschaften, Theorie und Daten am PSI.

Wie verteilt sich kalte Milch, die man in heissen Kaffee tropft? Selbst die schnellsten Supercomputer können so etwas nicht präzise berechnen, weil die zugrunde liegenden quantenphysikalischen Prozesse extrem komplex sind. Der Physiknobelpreisträger Richard Feynman machte 1982 einen Vorschlag: Anstatt mit herkömmlichen Computern löse man solche Fragen besser mit einem Quantencomputer, der die quantenphysikalischen Prozesse effizient simulieren könne – einem Quantensimulator. Feynmans Vision könnte bald Wirklichkeit werden, denn die Entwicklung von Quantencomputern schreitet schnell voran.

Zusammen mit Forschenden von Google und Universitäten in fünf Ländern haben Andreas Läuchli und Andreas Elben, zwei Theoretische Physiker am PSI, einen neuartigen digital-analogen Quantensimulator gebaut und erfolgreich getestet. Damit markieren sie einen Meilenstein, denn der Simulator berechnet physikalische Prozesse nicht nur mit ungeahnter Präzision. Ihr Konzept ist auch besonders flexibel und damit für viele Fragestellungen anwendbar – von der Festkörper- bis zur Astrophysik. Ihre Arbeit wurde heute im renommierten Fachmagazin Nature veröffentlicht.

Eine Kombination aus analog und digital

Ein zentraler Aspekt des neuen Quantenprozessors: Die 69 supraleitenden Quantenbits (Qubits) auf dem von Google entwickelten Quantenchip ermöglichen sowohl digitale als auch analoge Betriebsmodi. Digitale Quantencomputer führen Operationen mittels universellen Quantengattern aus, die den Logikgattern in klassischen Computern ähnelt. Der Unterschied besteht darin, dass Qubits dank quantenmechanischer Überlagerung nicht nur die Zustände 0 und 1, sondern auch eine Vielzahl von Zwischenzuständen einnehmen können.

Solche rein digitalen Quantencomputer sind bereits sehr leistungsfähig, doch ihr Potenzial als Quantensimulatoren ist noch begrenzt. Analoge Quantensimulatoren hingegen setzen auf die direkte Simulation physikalischer Prozesse, bei denen die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen realitätsnah nachgebildet werden, etwa um magnetische Eigenschaften in Festkörpern zu untersuchen. Diese beiden Ansätze – digital und analog – wurden nun im Experiment erstmals erfolgreich kombiniert, um die Stärken beider Welten zu vereinen.

Die Physikerinnen und Physiker definieren dafür diskrete Anfangsbedingungen, etwa das Einbringen von Wärme in einen Festkörper – das ist der digitale Modus. Damit können sie den Startzustand präzise und flexibel festlegen. In der Analogie der Kaffeetasse wäre das zum Beispiel ein Milchkännchen, das Milchtropfen gezielt und kontrolliert an hundert unterschiedlichen Stellen gleichzeitig eingiesst. Der anschliessende Prozess, bei dem sich die Milch im Kaffee verteilt, entspricht dem analogen Modus: Die Wechselwirkungen der Qubits simulieren dabei die physikalische Dynamik, beispielsweise die Wärmeausbreitung oder magnetische Domänenbildung, wie sie in realen Festkörpern auftritt.

«Wir können dem Quantensimulator dabei zuschauen, wie er ins thermische Gleichgewicht übergeht – oder in der Kaffeeanalogie: wie sich die Milch im Kaffee verteilt und sich die Temperatur dabei ausgleicht», sagt Andreas Elben, Tenure-Track-Wissenschaftler am PSI. «Mit unserer Arbeit zeigen wir, dass supraleitende analog-digitale Quantenprozessoren auf einem Chip möglich sind und sich als Quantensimulator eignen», betont Andreas Läuchli.

Auf dem Weg zum universellen Quantensimulator

Die sogenannte Thermalisierung – die Herstellung eines thermodynamischen Gleichgewichts – ist aber nur eine von vielen spannenden Fragestellungen, die der neue Quantensimulator beantworten kann. Das hier demonstrierte Konzept ebnet den Weg zum universellen Quantensimulator und soll in den verschiedensten Teilgebieten der Physik zum Einsatz kommen. Das geht über die Fähigkeiten bisheriger analoger Quantensimulatoren hinaus, welche sich jeweils nur für eine bestimmte physikalische Fragestellung eigneten.

Ein Thema, das sich damit untersuchen lässt, ist beispielsweise der Magnetismus, Läuchlis Spezialgebiet. In dem Quantenchip von Google sind die Qubits in einem Rechteck angeordnet, ihre magnetischen Richtungen wechseln sich im Anfangszustand strikt ab. Was aber passiert, wenn der Chip dreieckig ist? Das könnte die schöne Ordnung durcheinanderbringen, weil die Qubits ihre magnetische Ausrichtung nicht so regelmässig anordnen können, wie sie das natürlicherweise tun. Dieses Phänomen nennt sich frustrierter Magnetismus und ist etwa für Computerchips interessant, die Bits nicht mit der Ladung von Elektronen schalten und speichern, sondern mit deren magnetischen Spins. Das erlaubt eine viel höhere Speicherdichte und ein höheres Rechentempo.

Weitere Anwendungen eröffnen sich bei der Entwicklung von neuen Materialien, etwa Hochtemperatur-Supraleitern, und sogar bei Medikamenten, die präziser eingesetzt werden können und weniger Nebenwirkungen verursachen. Selbst in der Astrophysik sind Quantensimulatoren gefragt. Ein Beispiel dafür ist das sogenannte Informationsparadoxon. Dieses besagt, dass in der Quantenphysik keine Information verloren gehen darf. Astrophysiker gehen allerdings davon aus, dass Schwarze Löcher sehr wohl Information über ihre Entstehung vernichten – neuartige Quantensimulatoren könnten hierbei Klarheit schaffen.

«Unser Quantensimulator stösst die Tür auf für neue Forschung», verspricht Andreas Läuchli. Zwar sei das Projekt mit Google abgeschlossen, aber am PSI warteten viele weitere physikalische Fragen auf ihn und sein Team. Am Quanten Computing Hub von ETHZ und PSI und darüber hinaus werden Quantencomputer und Quantensimulatoren auf verschiedenen technologischen Plattformen entwickelt, darunter mittels gefangener Ionen, supraleitenden Qubits und Rydberg-Atomen. Mit diesen Systemen lassen sich am PSI schon bald spannende Fragestellungen der Quantenphysik untersuchen.  

Andreas Läuchli: «Wir dienen auch als Ideengeber für neue Experimente an den Grossforschungsanlagen des PSI. Und wir unterstützen Forschende, welche an den Anlagen ihre Experimente durchführen, wenn sie überraschende Ergebnisse interpretieren müssen. Und dafür werden wir in Zukunft verstärkt Quantensimulatoren einsetzen.»

Text: Bernd Müller

 

Originalveröffentlichung
 

Thermalization and criticality on an analogue–digital quantum simulator
T.I. Andersen et al.
Nature, 6.02.2025
DOI: 10.1038/s41586-024-08460-3

 

Kontakt

Prof. Dr. Andreas Läuchli

Center for Scientific Computing, Theory and Data
Paul Scherrer Institut PSI

+41 56 310 42 60

andreas.laeuchli@psi.ch

 

Dr. Andreas Elben

Center for Scientific Computing, Theory and Data
Paul Scherrer Institut PSI

+41 56 310 41 54

andreas.elben@psi.ch


Disclaimer: AAAS and EurekAlert! are not responsible for the accuracy of news releases posted to EurekAlert! by contributing institutions or for the use of any information through the EurekAlert system.