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EU-Vogelschutzgebiete in Deutschland: Größere Anstrengungen notwendig

Forschende nutzen Citizen-Science-Daten für bundesweite Analyse der Effektivität von Schutzgebieten

Peer-Reviewed Publication

University of Göttingen

Gegen den Trend: Die Grauammer ist einer der wenigen Feldvögel mit positiver Entwicklung – insbesondere in Schutzgebieten.

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Credit: Johannes Kamp

Eine neue Studie der Universität Göttingen und des Dachverbandes Deutscher Avifaunisten (DDA) zeigt, dass EU-Vogelschutzgebiete in Deutschland bei ihrer Ausweisung gut platziert wurden. Ihre Wirksamkeit variiert allerdings stark. Nur wenige Arten wiesen in Schutzgebieten eine positivere Entwicklung auf als außerhalb. Die Ergebnisse der Studie sind im Fachjournal Biological Conservation erschienen.

 

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind verpflichtet, Schutzgebiete im Rahmen des Natura2000-Netzwerkes auszuweisen. EU-Vogelschutzgebiete sollen den Erhalt und die Wiederherstellung von Vogelpopulationen garantieren. In Deutschland gibt es 742 solcher Gebiete. Ob diese allerdings auch zur Erholung dezimierter Populationen beitragen, war bisher wenig verstanden. Der Grund: Für seltene, schutzwürdige Arten lagen nur wenige nutzbare Daten vor.

 

Forschende der Universität Göttingen und des DDA haben nun Citizen-Science-Plattformen als eine neue Datenquelle erschlossen, um die Wirksamkeit von Vogelschutzgebieten in ganz Deutschland zu evaluieren. In diesen Plattformen tragen Tausende Menschen jedes Jahr Vogelbeobachtungen zusammen – von der einzelnen Amsel am Futterhaus bis zur Artenliste einer Tagestour an die Meeresküste. Für die Studie wurde die Plattform www.ornitho.de verwendet, die mehr als 90 Millionen Einträge zählt. Der Vorteil solcher Plattformen ist die fast flächige Abdeckung des Bundesgebietes. Allerdings hält die unsystematische, wenig standardisierte Datensammlung Fehlerquellen bereit. Deshalb beschränkten sich die Forschenden in der Analyse auf besonders wertvolle vollständige Listen, die Auskunft über alle bei einem Beobachtungsgang registrierten Vögel geben. Um herauszufinden, wie die Schutzgebiete abschnitten, verglichen die Forschenden sie mit Bereichen, die keine Schutzgebiete waren, aber eine ähnliche Naturausstattung hatten.

 

Die Analysen ergaben, dass 62 Prozent der betrachteten Arten mit höherer Wahrscheinlichkeit in einem Vogelschutzgebiet anzutreffen waren als außerhalb. Erstautorin Dr. Femke Pflüger vom DDA und von der Abteilung Naturschutzbiologie der Universität Göttingen sieht darin einen Erfolg: „Bei der Auswahl der Gebiete in den 2000er-Jahren haben Naturschützerinnen und Naturschützer offenbar gute Arbeit geleistet.“ Ein Vergleich über die Zeit fiel allerdings gemischt aus. „Für den Zeitraum 2012 bis 2022 konnten wir nur für 17 Prozent der Arten eine positivere Entwicklung in Schutzgebieten feststellen. Darunter sind vor allem Wiesenvögel wie Uferschnepfe und Brachvogel, die von gezielter Pflege ihrer Lebensräume profitieren“, so Pflüger. Für 83 Prozent der Arten gab es entweder keinen messbaren Effekt, oder die Entwicklung war sogar in den Schutzgebieten weniger günstig als außerhalb. Als „effektiver Schutz“ wurden auch Situationen definiert, in denen die Wahrscheinlichkeit, eine Art vorzufinden, sowohl inner- als auch außerhalb der Schutzgebiete über die Zeit abnahmen, doch innerhalb weniger stark.

 

Prof. Dr. Johannes Kamp, Leiter der Abteilung Naturschutzbiologie an der Universität Göttingen und Initiator der Analysen, stellt fest: „Die Analyse zeigt, dass die Ausweisung als Schutzgebiet nicht ausreicht, um negative Entwicklungen zu stoppen. Es müssen größere Anstrengungen unternommen werden, die Gebiete personell und finanziell besser auszustatten, Lebensräume zu renaturieren und gefährdeten Arten mit gezielten Maßnahmen zu helfen.“ Dr. Jakob Katzenberger, der die Forschung des DDA koordiniert, freut sich über die gelungene Einbindung tausender Bürgerinnen und Bürger: „Wir konnten zeigen, dass Biodiversitätsdaten aus online-Plattformen riesiges Potenzial haben. Großräumige Veränderungen der Vogelwelt lassen sich damit sehr gut nachverfolgen.“ Die Arbeiten wurden vom Bundesamt für Naturschutz im Projekt „Umsetzung von Maßnahmen zum bundesweit harmonisierten Vogelmonitoring in EU-Vogelschutzgebieten“ gefördert.

 

Originalveröffentlichung: Pflüger, F.J., Frank, C., Busch, M., Wahl, J., Dröschmeister, R., Sudfeldt, C., Kamp, J. (2024): Semi-structured citizen science data reveal mixed effectiveness of EU Special Protection Areas (SPA) in Germany. Biological Conservation 299: 110801. https://doi.org/10.1016/j.biocon.2024.110801

 

 

Kontakt:
Prof. Dr. Johannes Kamp
Georg-August-Universität Göttingen
Abteilung Naturschutzbiologie 
Bürgerstraße 50, 37073 Göttingen
Telefon: 0551 39-25207
E-Mail: johannes.kamp@uni-goettingen.de
Internet: www.uni-goettingen.de/conservation

 

Dr. Femke Pflüger
Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) und
Georg-August-Universität Göttingen
Abteilung Naturschutzbiologie
Bürgerstraße 50, 37073 Göttingen
Telefon: 0551 39-25207
E-Mail: fpflueg@gwdg.de
Internet: www.dda-web.de/dda/team/mitarbeiter/Pfl%C3%BCger,Femke

 


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