News Release

Vollmundiger Käsegeschmack – Vorhersage der Geschmacksentwicklung dank neuer Methode bald möglich

Effiziente Analyse-Methode entwickelt

Peer-Reviewed Publication

Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München

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Credit: J. Krpelan / Leibniz-LSB@TUM

Peptide, die während der Käsereifung entstehen, sind entscheidend für den als kokumi bezeichneten, vollmundigen Geschmack gereifter Käsesorten. Ein Forschungsteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München hat nun eine neue Methode entwickelt, um diese geschmacksrelevanten Peptide präzise, schnell und effizient zu analysieren. Anhand von mehr als 120 Käseproben hat das Team zudem eine Datenbasis geschaffen, die sich künftig zur Vorhersage der Geschmacksentwicklung bei der Käsereifung nutzen lässt.

Der Begriff kokumi kommt aus dem Japanischen und steht für ein vollmundiges und langanhaltendes Geschmackserlebnis. Besonders ausgeprägt ist der Geschmackseindruck bei gereiften Käsesorten und ist vor allem auf die zunehmende Konzentration von Gamma-Glutamyl-Dipeptiden zurückzuführen. Das sind kleine Moleküle, die aus einer Verknüpfung zwischen Glutaminsäure und einer weiteren Aminosäure bestehen.

Je nachdem wie die beiden Aminosäuren verknüpft sind, unterscheiden Forschende zwischen Gamma-, Alpha- und X-Glutamyl-Dipeptiden, wobei die beiden letzteren nicht zum Kokumi-Effekt beitragen. Die hohe Polarität der Glutamyl-Dipeptide sowie ihre große strukturelle Ähnlichkeit bei unterschiedlichem Geschmacksbeitrag stellen eine große Herausforderung für die Lebensmittelanalytik dar.

Effiziente Analyse-Methode entwickelt

Dem Team um Studienleiter Andreas Dunkel vom Leibniz-Institut ist es dennoch gelungen, eine neue effiziente Analyse-Methodezu entwickeln, die auf Ultrahochleistungs-Flüssigkeitschromatographie-Massenspektrometrie basiert. Mit ihr lassen sich erstmals die Konzentrationen aller 56 Gamma-Glutamyl-Dipeptid-Varianten präzise und selektiv in nur 22 Minuten bestimmen. Eine optimierte Probenvorbereitung ermöglicht dabei die Analyse von 60 Käseproben pro Tag.

„Das ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zu anderen Methoden. Unsere Tests haben gezeigt, dass unsere Methode schneller, effizienter und trotzdem zuverlässig ist – sie liefert reproduzierbare Ergebnisse und erfasst bereits kleinste Konzentrationen“, sagt Erstautorin Sonja Maria Fröhlich, Doktorandin am Leibniz-Institut. Um den Einfluss der Reifezeit auf die Gamma-Glutamyl-Dipeptid-Konzentrationen genauer zu untersuchen, wandten die Forschenden die Methode nach der Testphase auf 122 Käseproben aus Europa und den USA an. Die Reifezeiten der Käse lagen dabei zwischen zwei Wochen und 15 Jahren.

Schimmelkulturen beschleunigen Geschmacksentwicklung

Die Ergebnisse zeigen, dass die Konzentrationen von Glutamyl-Dipeptiden erwartungsgemäß mit zunehmendem Reifegrad ansteigen. „Interessanterweise führte die Zugabe von Blau- und Weißschimmelkulturen zu deutlich höheren Gamma-Glutamyl-Dipeptid-Konzentrationen, selbst bei kürzeren Reifezeiten“, sagt Andreas Dunkel, der am Leibniz-Institut die Arbeitsgruppe Integrative Food Systems Analysis leitet.

Der promovierte Lebensmittelchemiker ergänzt: „Die von uns ermittelten Konzentrationsprofile für verschiedene Reifestadien und Käsesorten lassen sich zukünftig als Datenbasis für Vorhersagemodelle verwenden. Letztere könnten beispielsweise dazu dienen, die Geschmacksentwicklung während der Käsereifung objektiv zu überwachen, Reifezeiten zu verkürzen oder neue pflanzliche Käseprodukte mit hoher Verbraucherakzeptanz zu entwickeln.“

„Im Sinne eines interdisziplinären, lebensmittelsystembiologischen Forschungsansatzes ist eins unserer Ziele, analytische Forschungsergebnisse mit bioinformatischen Methoden zu verknüpfen, um Vorhersagemodelle zu entwickeln, die geeignet sind, eine nachhaltige Lebensmittelproduktion zu unterstützen. Hier setzt auch das von Andreas Dunkel geleitete Projekt an“, schließt Veronika Somoza, Direktorin des Freisinger Leibniz-Instituts.

Publikation: Fröhlich, S.M., Jünger, M., Mittermeier-Kleßinger, V.K., Dawid, C., Hofmann, T.F., Somoza, V., and Dunkel, A. (2025). Towards prediction of maturation-dependent kokumi taste in cheese by comprehensive high throughput quantitation of glutamyl dipeptides. Food Chem 463, 141130. 10.1016/j.foodchem.2024.141130. https://doi.org/10.1016/j.foodchem.2024.141130

Förderung: Dieses IGF-Vorhaben der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie e. V. (FEI) wurde im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. IGF-Projekt 20776 N.

Hintergrundinformationen

Zum Thema Käse

Käse ist ein wichtiger Bestandteil der westlichen Ernährung, wobei es derzeit mehr als 1.000 verschiedene Sorten gibt. Wie weitere Studien zeigen, ziehen 54 Prozent der Konsumentinnen und Konsumenten gereiften Käse Produkten mit kürzerer Reifezeit vor. Nur 16 Prozent bevorzugen kürzer gereifte Sorten.

Laut Statista zählen Gouda, Edamer und Speisequark zu den meist produzierten Käsesorten in Deutschland. Im Jahr 2022 lag der Gesamtverbrauch der Deutschen bei rund zwei Millionen Tonnen, was einem Pro-Kopf-Verbrauch von rund 24 Kilogramm Käse pro Jahr entspricht. https://de.statista.com/themen/3091/herstellung-und-konsum-von-kaese/#topicOverview

Kokumi

Kokumi steht nicht für eine eigenständige Geschmacksqualität wie süß, sauer, bitter, salzig oder umami, sondern bezeichnet eher einen vollmundigen, anhaltenden, abgerundeten und ausgewogenen Geschmackseindruck. Etymologen, die sich mit der Lehre von der Herkunft und Entwicklung von Wörtern beschäftigen, schreiben dem Wort kokumi drei verschiedene Bedeutungen zu: 1. schwer, dunkel (wie in Farben, z. B. Dunkelblau), 2. dick (wie in eingedickten Flüssigkeiten, z. B. Soßen), 3. stark (wie in Espresso).

Kontakte:
Experten-Kontakte:

Dr. Andreas Dunkel
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM)
Leiter der Arbeitsgruppe Integrative Food Systems Analysis (ad interim) &
Teilbereichsleiter des Technologie-Ressorts Databases
E-Mail: a.dunkel.leibniz-lsb(at)tum.de
Tel: +49 8161 71 2903

Sonja Maria Fröhlich
Arbeitsgruppe Integrative Food Systems Analysis
E-Mail: s.froehlich.leibniz-lsb(at)tum.de
Tel: +49 8161 71 2925

Direktorin des Leibniz-LSB@TUM:

Prof. Dr. Veronika Somoza
E-Mail: v.somoza.leibniz-lsb(at)tum.de

Pressekontakt am Leibniz-LSB@TUM:

Dr. Gisela Olias
Wissenstransfer, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
E-Mail: g.olias.leibniz-lsb(at)tum.de
Tel.: +49 8161 71-2980
www.leibniz-lsb.de

Informationen zum Institut:

Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil an der Schnittstelle zwischen Lebensmittelchemie & Biologie, Chemosensoren & Technologie sowie Bioinformatik & Maschinellem Lernen. Weit über die bisherige Kerndisziplin der klassischen Lebensmittelchemie hinausgewachsen, leitet das Institut die Entwicklung einer Systembiologie der Lebensmittel ein. Sein Ziel ist es, neue Ansätze für die nachhaltige Produktion ausreichender Mengen an Lebensmitteln zu entwickeln, deren Inhaltsstoff- und Funktionsprofile an den gesundheitlichen und nutritiven Bedürfnissen, aber auch den Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtet sind. Hierzu erforscht es die komplexen Netzwerke sensorisch relevanter Lebensmittelinhaltsstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit dem Fokus, deren physiologische Wirkungen systemisch verständlich und langfristig vorhersagbar zu machen.

Das Leibniz-Institut ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft (https://www.leibniz-gemeinschaft.de/), die 96 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

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