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Biodiversitätsverlust: Viele Studierende im Umweltbereich kennen Ursachen nicht so genau

Weltweite Umfrage der Goethe-Universität zeigt mögliche Erklärungen für Wissenslücken künftiger Umweltfachleute auf

Peer-Reviewed Publication

Goethe University Frankfurt

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If invasive species - such as the lionfish in the Atlantic - are not a major problem in the respondents' countries, the respondents tended to underestimate their significance for biodiversity loss.

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Credit: Matthias Kleespies, Goethe University Frankfurt.

FRANKFURT. Von den geschätzt 10 Millionen, größtenteils noch unentdeckten Tier- und Pflanzenarten auf der Erde könnten in den nächsten Jahrzehnten eine Million aussterben. Dieser Biodiversitätsverlust hätte dramatische Folgen, denn Tiere und Pflanzen sind Multidienstleister: Sie erhalten Ökosysteme, sorgen für ein ausgeglicheneres Klima auf dem Planeten und liefern uns Nahrung sowie Wirkstoffe für Medizin. Kurz: Ohne Artenvielfalt überleben wir Menschen nicht.

Es braucht also dringend konsequente politische Maßnahmen gegen das „sechste Massenaussterben“ der Erdgeschichte. Eine Personengruppe, auf die es besonders ankommt, sind die heutigen Studierenden im Umweltbereich. Viele von ihnen werden in Zukunft voraussichtlich einflussreiche Posten in Umweltpolitik und Wirtschaft besetzen – und mit darüber entscheiden, ob der globale Rückgang der Artenvielfalt effizient bekämpft wird.

Aber wie gut sind die Entscheiderinnen und Entscheider von morgen überhaupt informiert? Können sie die Hauptursachen für den Biodiversitätsverlust als solche identifizieren – und zudem von Faktoren abgrenzen, die gar keinen Einfluss auf die Artenvielfalt haben? „Wir sind die ersten, die diese Fragen in unserer Studie global wissenschaftlich untersucht haben“, so Dr. Matthias Kleespies von der Abteilung Didaktik der Biowissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt.

Zusammen mit anderen Frankfurter Forschern hat Kleespies eine Online-Umfrage bei rund 4400 Studenten der Umweltwissenschaften in 37 Ländern durchgeführt. Diese bekamen eine Online-Fragebogen, der acht Ursachen für den globalen Biodiversitätsverlust auflistet. Darunter die fünf tatsächlichen Hauptgründe: Klimawandel (vermehrte Dürren und andere Folgen der Erwärmung), Übernutzung (etwa Überfischung), Lebensraumverlust (etwa durch Rodungen), Verdrängung durch invasive Arten und schließlich Verschmutzung (Luftverschmutzung, Plastikmüll, Erdölverschmutzung). Zusätzlich waren drei Faktoren aufgeführt, die keinen oder kaum Einfluss auf die Artenvielfalt haben: Elektrosmog, Fabrik- und Fahrzeuglärm sowie das Internet. Die Umweltstudierenden sollten angeben, in welchem Maß die acht Faktoren ihrer Meinung nach für den Rückgang der Biodiversität verantwortlich sind. Die Skala reichte von 1 (geringer Einfluss) bis 5 (sehr starker Einfluss).

Die ausgefüllten Fragebögen wurden mittels einer speziellen Methode analysiert, die Muster in Daten erkennt. Am Ende bildeten sich so insgesamt acht unterschiedliche Cluster mit Anhäufungen bestimmter, gut voneinander unterscheidbarer Antworttypen heraus. Kleespies erläutert: „Bei Antworttyp 1 zum Beispiel werden alle Hauptursachen erkannt, mit Ausnahme des Klimawandels. Dessen Einfluss auf den Rückgang der biologischen Vielfalt unterschätzen die Studenten.“ Bei Typ 2 wiederum spielt die Verschmutzung eine untergeordnete Rolle, bei Typ 7 der Faktor invasive Arten. Eine Sonderform stellt Typ 3 dar, bei der alle Hauptursachen unterschätzt und diese zudem von den irrelevanten Faktoren wie Lärm gar nicht unterschieden werden. „Zum Glück gab es von diesem Antworttypen vergleichsweise wenige“, sagt Kleespies. Insgesamt kommen die acht Antworttypen in den befragten Ländern in unterschiedlicher Häufigkeit vor.

Im nächsten Auswertungsschritt ging es um die Hintergründe der Antworten: Was bedingt die unterschiedlichen Antworttypen? Dafür bezogen die Forschenden länderspezifische Indikatoren ein: den CO2-Ausstoß des Landes sowie Indikatoren für Wohlstand, Umwelt und Biodiversität. Kleespies: „Wir stellten fest, dass diese Indikatoren die Wahrnehmung der Studenten im jeweiligen Land erheblich beeinflussen.“

Beim Antworttyp 1 zum Beispiel, der den Klimawandel als Treiber unterschätzt. In Ländern mit sehr hohem CO2-Ausstoß – etwa Russland, China, Saudi-Arabien – kommt Typ 1 deutlich häufiger vor. „Warum das so ist, lässt sich mit unseren Daten zwar nicht erklären. Aber wir vermuten, dass die Umweltstudenten in diesen Ländern nicht so sensibilisiert sind. Es fehlt im Studium an Aufklärung darüber, dass auch der Klimawandel den Verlust der Artenvielfalt verstärkt.“ Zudem gehe es ja um den Anteil des eigenen Landes am Klimawandel. Dass der groß sei, werde eventuell nicht so gerne zugegeben.

Bei Antworttyp 2 – Verschmutzung als unterschätzter Faktor – ist ebenso ein Zusammenhang zwischen Bewertung und ländertypischen Indikatoren erkennbar, aber in anderer Form. In wohlhabenden Ländern mit gesünderen Ökosystemen – zum Beispiel Australien, Schweden und Deutschland – unterschätzen die Studierenden den Faktor Verschmutzung häufiger. Vermutlich werde Verschmutzung in diesen Ländern allgemein nicht als Problem wahrgenommen, meint Kleespies, und somit auch nicht als eine der Hauptursachen für den globalen Biodiversitätsverlust. Antworttyp 7 wiederum, der invasiven Arten stark unterschätzt, ist in Länder wie Nigeria und Kenia, in denen invasive Arten weniger häufig sind, eher verbreitet. In Australien und Spanien kommt Typ 7 dagegen nur selten vor - gerade dort stellen invasive Arten ein großes Problem dar. 

Welche Schlüsse Kleespies aus der Studie zieht? „Sie zeigt erstmals die großen Wahrnehmungslücken, die die nächste Generation der Entscheidungsträger im Umweltbereich beim Thema Artenvielfaltverlust und seinen Ursachen hat. Diese Lücken müssen geschlossen werden.“ Und da sind die heutigen Entscheidungsträger an den Universitäten und in der Politik gefragt. Sie müssen die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass im Umweltstudium des jeweiligen Landes alle Ursachen des komplexen Problems behandelt werden. „Der Biodiversitätsverlust betrifft uns alle, es ist ein globales Problem. Deshalb braucht es bei Studierenden im Umweltbereich, unabhängig vom Herkunftsland, auch eine globale Sichtweise.“ Die Studie sei ein Appell in diese Richtung.


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