News Release

Wichtige Software für den neuen europäisch-japanischen Erdbeobachtungssatelliten EarthCARE

TROPOS-Forschende entwickeln Prozessoren zur Messung von Wolken und Aerosolen

Peer-Reviewed Publication

Leibniz Institute for Tropospheric Research (TROPOS)

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Algorithm test for the 3D evaluation of atmospheric lidar (ATLID) and the Multi-Spectral Imager (MSI) on EarthCARE. The synergetic algorithm "AM-COL" described by Haarig et al. 2023 combines the strengths of ATLID in vertically resolved profiles of aerosol and clouds (e.g. cloud top) with the strengths of MSI in observing the entire scene next to the satellite track and in extending the lidar information on the satellite's acquisition strip. A strong ATLID-Mie-Co-polar signal (white) indicates optically thick clouds; weaker signals (red to yellow) indicate optically thinner clouds or aerosol layers. The high clouds in the centre of the scene are detected by MSI due to their low brightness temperature (BT; blue). The high brightness temperatures (red) on the MSI swath result from the Earth surface signal, with the low-lying clouds visible in yellow.

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Credit: Moritz Haarig, TROPOS; https://amt.copernicus.org/articles/16/5953/2023/

Leipzig. Die Vorbereitungen zum Start des neuen Erdbeobachtungsatelliten EarthCARE (Earth Cloud Aerosol and Radiation Explorer) Ende Mai laufen auf Hochtouren. Die gemeinsame Mission der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) und der japanischen Raumfahrtagentur (JAXA) soll Wolken, Aerosole und Strahlung so genau messen wie nie zuvor. Möglich wird das durch die Verknüpfung von vier hochmodernen Instrumenten. Einen wichtigen Beitrag dazu leisten drei sogenannte Prozessoren, die das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS) zusammen mit Partnern entwickelt hat. Diese Algorithmen sind jetzt in einer Sonderausgabe des Fachjournals „Atmospheric Measurement Techniques“ ausführlich beschrieben worden.
Die neue Software ermöglicht es, Wolkeneigenschaften aus dem passiven Spektrometer (MSI), die Aerosol- und Wolkenschichtung aus dem aktiven, spektral hochauflösenden Lidar (ATLID) sowie synergetische Wolken- und Aerosolprodukte aus beiden Geräten abzuleiten. Damit diese Berechnungen über die verschiedenen Geräte hinweg funktionieren, wurde ein Aerosolklassifizierungsmodell (HETEAC) als Grundlage für die Aerosoltypisierung entwickelt.
EarthCARE wird erstmals ein spektral hochauflösendes Lidar und ein Doppler-Wolkenradar mit passiven Sensoren kombinieren und stellt damit die komplexeste Satellitenmission zur Erforschung von Aerosolen, Wolken und deren Strahlungswirkung dar, die jemals ins All gestartet wurde. Die Entwicklung von EarthCARE hat mehr als 15 Jahre gedauert und rund 800 Millionen Euro gekostet. Für die Wissenschaft bietet der Satellit große Möglichkeiten: Hochmoderne Technologie an Bord liefert eine Vielzahl von Daten, die die Genauigkeit von Klimamodellen verbessern und die numerische Wettervorhersage unterstützen sollen.


Der 17,2 Meter lange, 2,5 Meter breite, 3,5 Meter hohe und rund 2.200 Kilogramm schwere EarthCARE-Satellit wurde beim deutschen Hauptauftragnehmer Airbus in Friedrichshafen montiert, zusammen mit der ESA ausgiebig getestet und anschließend per Flugzeug nach Vandenberg (Kalifornien, USA) transportiert, wo er Ende Mai mit einer Falcon-9-Rakete des US-Raumfahrtkonzerns SpaceX in seinen Zielorbit in 393 Kilometer Höhe gebracht werden soll.

Der Earth Cloud Aerosol and Radiation Explorer (EarthCARE) ist mit vier Instrumenten ausgestattet: einem Doppler-Wolkenradar, einem Lidar mit hoher spektraler Auflösung, einem abbildenden Spektrometer und einem Breitbandradiometer mit drei verschiedenen Blickrichtungen. Die Instrumente werden synergetische Beobachtungen von Aerosolen, Wolken, Strahlung und deren Wechselwirkungen mit noch nie dagewesener Genauigkeit liefern. Eines der Ziele der Mission ist es, die gemessenen und berechneten Strahlungsflüsse am Oberrand der Atmosphäre für eine 100 Quadratkilometer große Momentaufnahme mit einer Genauigkeit von 10 Watt pro Quadratmeter in Übereinstimmung zu bringen, was das Wissen über den globalen Strahlungsantrieb erheblich verbessern würde.

Die EarthCARE-Daten werden mit Hilfe einer ausgeklügelten Datenkette fast in Echtzeit (Near Real Time) berechnet. Das Lidar liefert vertikale Profile und damit einen Querschnitt der Atmosphäre entlang der Flugstrecke des Satelliten. Daraus leiten die am TROPOS entwickelten Algorithmen die Wolkenoberkante und die Höhe von Aerosolschichten, die z.B. aus Saharastaub oder Rauch großer Waldbrände bestehen können, ab (Wandinger et al., 2023b). Diese Algorithmen werden in der Fachsprache auch Prozessoren genannt und sind das Software-Herz der Datenauswertung. Ergänzend zum Lidar ermöglicht das abbildende Spektrometer die Charakterisierung der Atmosphäre durch ein horizontales, 150 km breites Abbild von Wolken- und Aerosoleigenschaften. Die mikro- und makrophysikalischen Wolkeneigenschaften wie z.B. die optische Dicke der Wolken, der Tropfenradius und die Wolkenhöhe werden mit einem weiteren am TROPOS entwickelten Prozessor bestimmt (Hünerbein et al., 2023, 2024; Docter et al., 2024; Mason et al., 2024).  Der dritte am TROPOS entwickelte Prozessor kombiniert die höhenaufgelöste Information vom Lidar mit der horizontalen Information des Spektrometers, um damit ein verbessertes dreidimensionales Bild der Atmosphäre entlang der Flugstrecke des erdumlaufenden Satelliten zu gewinnen (Haarig et al., 2023).

Die Aerosolklassifizierung basiert in allen EarthCARE-Algorithmen auf dem HETEAC-Modell (Hybrid End-to-End Aerosol Classification) (Wandinger et al., 2023a). „Das vom TROPOS zusammen mit Partnern entwickelte Aerosolklassifizierungsmodell HETEAC spielt bei der Verarbeitung der Daten eine zentrale Rolle, weil es dafür sorgt, dass die Geräte sozusagen dieselbe Sprache sprechen und ihre Daten ein einheitliches Gesamtbild ergeben“, erklärt Dr. Ulla Wandinger vom TROPOS, die die Entwicklung dieses Modells geleitet hat. Aber auch in der Auswertung der Lidar- und Spektrometerdaten stecken mehrere Jahrzehnte Know-how an Wolken- und Aerosolbeobachtung vom TROPOS: „Die entwickelten Korrekturmechanismen in unseren Prozessoren werden dafür sorgen, dass sich die Qualität der Wolken- und Aerosoldaten deutlich verbessern wird“, berichtet Dr. Anja Hünerbein, die an der Auswertungssoftware für das passive Spektrometer entscheidend mitgearbeitet hat.

Forschende des TROPOS aus Leipzig haben aber nicht nur an der Software mitgearbeitet, sondern werden auch an der Überprüfung und Kalibrierung der Daten beteiligt sein. Denn eine sorgfältige Validierung der Messungen ist erforderlich, um die ehrgeizigen wissenschaftlichen Ziele der EarthCARE-Mission zu erreichen. Eine große Rolle spielt dabei die europäische Forschungsinfrastruktur ACTRIS (Aerosol, Clouds and Trace Gases Research Infrastructure). Die ACTRIS-Fernerkundungsstationen sind für diesen Zweck bestens gerüstet: Die Standardausrüstung, bestehend aus einem Hochleistungs-Lidar und einem Sonnen-Photometer für Aerosolmessungen sowie einem Doppler-Radar und einem Mikrowellenradiometer für Wolkenmessungen, ermöglicht zusammen mit dem Qualitätssicherungskonzept von ACTRIS eine detaillierte Überprüfung aller EarthCARE-Aerosol- und Wolkenprodukte. „Arbeitsabläufe für die Beobachtung, die Datenverarbeitung und die Bereitstellung von Daten in nahezu Echtzeit wurden bereits entwickelt und ausgiebig getestet. Für diesen Sommer organisieren wir eine Kampagne mit über 40 Stationen, die mehrere Monate dauern soll“, blickt Dr. Holger Baars vom TROPOS voraus, der die Kampagne koordiniert. Daran beteiligt sein werden neben den TROPOS-Stationen in Leipzig (Deutschland), Mindelo (Cabo Verde) und Duschanbe (Tadschikistan) auch viele ACTRIS-Stationen in ganz Europa.

Die umfangreichen Validierungsmaßnahmen von TROPOS und vielen internationalen Forschungsteams dienen dazu, die entwickelten Prozessoren und die damit bestimmten Messgrößen genau zu überprüfen. Erst dann ist wirklich klar, wie gut die Eigenschaften von Aerosolen und Wolken und deren Strahlungswirkung von EarthCARE bestimmt und wie die global gemessenen Daten für ein verbessertes Verständnis der Atmosphäre genutzt werden können. Europas neues „Auge“ im All wird erst mit Hilfe der Bodenstationen richtig scharf und so präzise wie nie zuvor auf die komplizierten Wechselwirkungen zwischen Wolken, Aerosolen und Strahlung schauen können.

 


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