Im Magen sind sogenannte Parietalzellen für die Säureproduktion verantwortlich. Sie reagieren nicht nur auf körpereigene Botenstoffe, sondern auch auf bitter schmeckende Nahrungsbestandteile wie Koffein. Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München hat nun eine Studie an einer menschlichen Magenzelllinie durchgeführt. Deren Ergebnisse tragen dazu bei, die molekularen Regulationsmechanismen aufzuklären, über die Bitterstoffe die Magensäureproduktion beeinflussen.
Es ist bekannt, dass sich Geschmacksrezeptoren für Bitteres nicht nur auf der Zunge, sondern auch auf der Oberfläche anderer Gewebe und Zellen finden. Dazu gehören auch die Parietalzellen des Magens, die Protonen ins Mageninnere absondern − also Magensäure produzieren. Neuere Studien hatten bereits gezeigt, dass die in Parietalzellen nachgewiesenen Bitterrezeptoren an der Regulation der Magensäurefreisetzung beteiligt sind. Über welche molekularen Signalwege dies erfolgt, ist jedoch noch nicht vollständig verstanden.
Magenzellen als Testsystem
Um mehr über das molekulare Zusammenspiel von Bitterstoffen, Bitterrezeptoren und Magensäureproduktion zu erfahren, hat ein Forschungsteam um Veronika Somoza, Direktorin des Freisinger Leibniz-Instituts, eine Studie an einem zellulären Testsystem durchgeführt. Bei diesem handelt sich um menschliche parietale HGT-1-Zellen, die in der Lage sind, Protonen zu sekretieren und wie Geschmackszellen über Bitterrezeptoren verfügen.
Das Team um Veronika Somoza stellte zunächst eine Arbeitshypothese auf, die auf den Ergebnissen früherer Studien basiert und sich an den Erkenntnissen über die Signalweiterleitungswege in Geschmackszellen orientiert. Demnach stimulieren bittere Lebensmittelinhaltsstoffe Bitterrezeptoren, die in der Zellmembran eingebettet sind. Hierdurch werden innerhalb der Zellen Calciumionen frei, die zur Öffnung von Ionenkanälen führen. Dies wiederum lässt Natriumionen von außen in die Magenzellen einströmen, was schließlich zur Protonenfreisetzung beiträgt.
Hypothese bestätigt
Erstautor Phil Richter erklärt: „Wir haben diesen Mechanismus erfolgreich mit den beiden Bitterstoffen Koffein und L-Arginin getestet. Wie aufgrund früherer Studienergebnisse zu erwarten war, stimulierten beide Lebensmittelinhaltsstoffe in unserem Testsystem nachweislich die Protonensekretion der Magenzellen.“ Der Doktorand fügt hinzu: „Neu ist, dass wir jetzt erstmals nachweisen konnten, dass die Transient-Receptor-Potential-Kanäle M4 und M5 nicht nur in Geschmacks-, sondern auch in Magenzellen an der Signalkaskade beteiligt sind und für einen Einstrom von Natriumionen in die Zellen sorgen.“
Senior Scientist Gaby Andersen ergänzt: „Durch den Einsatz von Knock-out-Versuchen, bei denen wir gezielt einen Bitterrezeptortyp in den Testzellen ausschalteten, konnten wir zudem erstmals zeigen, dass es eine Verbindung zwischen Bitterrezeptoren und der Aktivierung der Ionenkanäle gibt.“ Die Wissenschaftlerin betont, dass die Ergebnisse nicht nur dazu beitragen, die Rolle von Geschmacksrezeptoren im Magen besser zu verstehen, sondern auch zeigen, dass HGT-1-Zellen als Ersatzmodell für Geschmackszellen geeignet sein könnten.
Das Forschungsteam ist sich einig, dass die Ergebnisse neue Einblicke in die Regulation der Magensäureproduktion ermöglichen und so langfristig zu innovativen Ansätzen in der Behandlung von Magenerkrankungen führen. Weitere Studien seien jedoch erforderlich, um das Wissen über die molekularen Regulationsmechanismen und intrazellulären Signalwege zu vertiefen.
Publikation: Richter, P., Andersen, G., Kahlenberg, K., Mueller, A.U., Pirkwieser, P., Boger, V., and Somoza, V. (2024). Sodium-Permeable Ion Channels TRPM4 and TRPM5 are Functional in Human Gastric Parietal Cells in Culture and Modulate the Cellular Response to Bitter-Tasting Food Constituents. J Agric Food Chem. 10.1021/acs.jafc.3c09085.
Kontakte:
Experten-Kontakt:
Prof. Dr. Veronika Somoza
Direktorin des Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM)
Leiterin der Arbeitsgruppe Metabolic Function & Biosignals
Lise-Meitner-Str. 34
85354 Freising
E-Mail: v.somoza.leibniz-lsb(at)tum.de
Dr. Gaby Andersen
Arbeitsgruppe Metabolic Function & Biosignals am Leibniz-LSB@TUM
Tel.: +49 8161 71-2930
E-Mail: g.andersen.leibniz-lsb(at)tum.de
Phil Richter
Arbeitsgruppe Metabolic Function & Biosignals am Leibniz-LSB@TUM
Tel.: +49 8161 71-2727
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Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil an der Schnittstelle zwischen Lebensmittelchemie & Biologie, Chemosensoren & Technologie sowie Bioinformatik & Maschinellem Lernen. Weit über die bisherige Kerndisziplin der klassischen Lebensmittelchemie hinausgewachsen, leitet das Institut die Entwicklung einer Systembiologie der Lebensmittel ein. Sein Ziel ist es, neue Ansätze für die nachhaltige Produktion ausreichender Mengen an Lebensmitteln zu entwickeln, deren Inhaltsstoff- und Funktionsprofile an den gesundheitlichen und nutritiven Bedürfnissen, aber auch den Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtet sind. Hierzu erforscht es die komplexen Netzwerke sensorisch relevanter Lebensmittelinhaltsstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit dem Fokus, deren physiologische Wirkungen systemisch verständlich und langfristig vorhersagbar zu machen.
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Journal
Journal of Agricultural and Food Chemistry
Method of Research
Experimental study
Subject of Research
Cells
Article Title
Sodium-Permeable Ion Channels TRPM4 and TRPM5 are Functional in Human Gastric Parietal Cells in Culture and Modulate the Cellular Response to Bitter-Tasting Food Constituents
Article Publication Date
20-Feb-2024
COI Statement
The authors declare no competing financial interest.