FRANKFURT. Ob das adaptive Immunsystem des Menschen Krankheitserreger identifiziert, entscheidet sich an der Außenhülle der Zelle. Die Zellmembran ist gewissermaßen der Schauplatz, auf dem zwei entscheidende Akteure aufeinandertreffen: einerseits die Rezeptoren etwa von T-Zellen, die darauf spezialisiert sind, auf Erkennungszeichen, auch Antigene genannt, für eine durch einen Virus infizierte oder entartete Zelle zu reagieren; andererseits ist es die infizierte oder entartete Zelle selbst, die in ihrem Inneren die Antigene in Form von kleinen Peptiden produziert, diese dann an ihre Oberfläche transportiert und dort präsentiert. Erkennt ein T-Zell-Rezeptor auf der Membran ein zu ihm passendes Antigen, bindet er es an sich, was wiederum eine Signalkaskade in Gang setzt, an deren Ende die nicht-normale Zelle eliminiert wird. Diese Eigenschaft von T-Zellen ist der Grund, warum sie zunehmend als maßgeschneidertes Werkzeug in der Immuntherapie eingesetzt werden.
Der Biochemiker und Strukturbiologe Robert Tampé ist auf die Strukturanalyse von Membranprotein-Komplexen des adaptiven Immunsystems spezialisiert. Nun hat er für sein Projekt „Unraveling the Supramolecular Architecture of Molecular Machineries in Adaptive Immunity“ (kurz: „ImmunoMachines“) vom Europäischen Forschungsrat (European Research Council, ERC) einen ERC Advanced Grant erhalten, verbunden mit 2,5 Millionen Euro für die kommenden fünf Jahre. Mit Advanced Grants fördert das ERC bahnbrechende Forschungsvorhaben von erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
In seinem Forschungsprojekt geht es Robert Tampé darum, noch ungeklärte Prozesse der Immunantwort von Zellen in ihrer räumlichen und zeitlichen Struktur zu entschlüsseln. Tampés Forschungsteam kombiniert dabei mehrere wissenschaftliche Disziplinen und Methoden, beispielsweise die Cryo-Elektronenmikroskopie, die Kontrolle von zellulären Prozessen durch Licht, die chemische und synthetische Biologie, zelluläre Strukturbiologie und andere. Tampé ist überzeugt, dass es „gerade an den Grenzen von Biologie, Chemie, Physik und Medizin vieles zu entdecken gibt“ – wobei die Erkenntnisse in der Grundlagenforschung zu einem greifbaren Nutzen in Therapieansätzen führen würden. „Es ist der Traum eines jeden Forschers auf diesem Gebiet“, sagt er, „zu verstehen, wie der T-Zell-Rezeptor funktioniert, um letztendlich maßgeschneiderte T-Zell-Rezeptoren herzustellen, die Infektionskrankheiten, Autoimmunkrankheiten und Krebserkranken behandeln können.“
2017 hat Robert Tampé bereits einen Advanced Grant eingeworben; im darauffolgenden Jahr wurde er mit einem Reinhart-Koselleck-Projekt der DFG ausgezeichnet. Seit 2022 leitet er den Forschungsverbund SFB 1507 über Membran-assoziierte Proteinverbünde, Maschinen und Superkomplexe. 2023 wurde er mit dem Schafer Research Award der Columbia University, New York ausgezeichnet.
Der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) hatte 255 Projekte führender Spitzenforschender aus 1.829 eingereichten Projekten aus 19 Mitgliedstaaten und assoziierter Länder ausgewählt; somit waren knapp vierzehn Prozent der Vorschläge erfolgreich. Unter den Gewinnern sind 50 deutsche, 31 französische, 28 britische, 22 italienische und weitere 28 Forschende anderer Nationen.
Der ERC ist eine von der Europäischen Kommission eingerichtete Institution zur Finanzierung grundlagenorientierter Forschung. Er besteht seit 2007 unter mehreren EU-Rahmenprogrammen für Forschung und Innovation. An seiner Spitze steht der Scientific Council, ein Gremium internationaler Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, der für die strategische Ausrichtung des ERC verantwortlich ist.