Leipzig. Eine neues Verbundprojekt wird in den kommenden vier Jahren die Zusammenhänge zwischen Waldbränden und Klimawandel erforschen. Der Leibniz-WissenschaftsCampus "Rauch und Bioaerosole im Klimawandel" bündelt dazu die Expertise in der Atmosphären- und Biodiversitätsforschung der Universität Leipzig, zu Aerosolen, Wolken und atmosphärischen Prozessen vom Leibniz-Instituts für Troposphärenforschung (TROPOS), zu Biomasse-Verbrennung vom Deutschen Biomasseforschungszentrum (DBFZ) und zu Wasser- und Energiekreisläufen vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Leibniz-WissenschaftsCampi dienen der strategischen Vernetzung von Leibniz-Instituten mit Universitäten und weiteren Kooperationspartnern in der Region unter einem thematischen Fokus.
Die Leibniz-Gemeinschaft fördert diese Kooperationen für maximal acht Jahre. Der neue Leibniz-Wissenschaftscampus unter Leitung des TROPOS ist bereits der zweite dieser Art in Leipzig: Seit 2016 werden beim Wissenschaftscampus „Eastern Europe – Global Area (EEGA)“ unter Leitung des Leibniz-Instituts für Länderkunde (IfL) Globalisierungsprozesse im östlichen Europa untersucht.
Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre und der Biosphäre sind unzureichend verstanden, insbesondere im Zusammenhang mit dem raschen Wandel des Klimas. Dürren durch häufigere Klimaextreme erhöhen das Risiko von Waldbränden. Solche Brände und die dabei entstehenden Rauchpartikel und Gase haben Auswirkungen auf die Luftqualität, die Strahlungsbilanz der Erde und Vegetationsmuster in betroffenen Regionen.
Waldbrände und daraus resultierende Vegetationsveränderungen beeinflussen auch die Emission von primären biologischen Aerosolpartikeln, die sich aufgrund ihrer Eigenschaften auf die Bildung von Wolkentröpfchen, Wolkeneis und Niederschlag auswirken können. Das Verständnis der Zusammenhänge zwischen der Art der Vegetation, der Emission von Rauch und den primären biologischen Aerosolpartikeln sowie der atmosphärischen Verteilung dieser Partikel und Gase ist auch eine der Voraussetzungen zum Verständnis von künftigen Veränderungen in der Atmosphäre.
Um die Prozesse in dem vernetzten System Atmosphäre-Klima-Vegetation erforschen zu können, ist eine Kombination von Fachwissen aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen erforderlich. Der Leibniz-WissenschaftsCampus "Rauch und Bioaerosole im Klimawandel" (LSC BioSmoke) bündelt daher die herausragende Expertise zu Atmosphären- und Biodiversitätsforschung der Universität Leipzig, zu Aerosolen, Wolken und atmosphärischen Prozessen am TROPOS, zu Biomasse-Verbrennungsanalyse am DBFZ sowie zu Wasser- und Energiekreisläufen am UFZ, um die Steuerungsfaktoren und die Auswirkungen der Freisetzung von Aerosolpartikeln aus der Vegetation zu klären. Zu diesem Zweck umfassen die Projekte innerhalb des LSC Verbrennungsexperimente im Labor, Feldmessungen von Aerosoleigenschaften im Zusammenhang mit Vegetationsfeuern und die Fernerkundung und Modellierung von Partikelemission, -transport und atmosphärischen Auswirkungen. Der Verbund kann dazu auch auf umfangreiche Daten aus Messkampagnen des deutschen Forschungsflugzeugs HALO zurückgreifen, das die Rauchfahnen von Waldbränden in Südamerika, Asien, Australien und Europa untersucht hat – zuletzt während der HALO-Mission CAFE-Pacific im Januar/Februar 2024. Aber auch neue Messkampagnen planen die Forschenden aus Leipzig. So zum Beispiel für Sommer 2025 ein Feldexperiment in Spanien. Dieses findet in enger Kooperation mit der Universität Castilla - La Mancha statt, die auf bestimmten Feldern in Kastilien zweimal im Jahr kontrollierte Brände durchführt und untersucht.
„Vegetationsbrände werden seit langem auf dem Gebiet der Feuerökologie untersucht. Ebenso beschäftigt sich die Atmosphärenforschung seit vielen Jahren mit den Auswirkungen von Aerosolen, wie Rauchpartikeln, auf Klima und Wetter. Bisher haben beide Disziplinen weitgehend getrennt voneinander gearbeitet. Durch die Bündelung von Expertisen in den Atmosphären- und Vegetationswissenschaften, die derzeit in verschiedenen Forschungseinrichtungen in Leipzig angesiedelt ist, soll mit dem geplanten Leibniz ScienceCampus ein regionaler Forschungsverbund mit großer Sichtbarkeit entstehen. Die interdisziplinäre Untersuchung von feuerbedingten Emissionen, atmosphärischem Transport und Klimaprozessen wird dazu beitragen, die Auswirkungen und Wechselwirkungen von Aerosolpartikeln aus der Vegetation besser zu verstehen“, erklärt Professorin Dr. Ina Tegen vom TROPOS und der Universität Leipzig, die Sprecherin des neuen WissenschaftsCampus ist.
Die Forschenden wollen die Wirkungen über drei Teilprojekte erfassen: Zum einen werden die Eigenschaften von Rauchpartikeln bei der Verbrennung unterschiedlicher Pflanzenarten unter kontrollierten Laborbedingungen sowie Alterungsprozesse unter Feldbedingungen untersucht. Des Weiteren wird der atmosphärische Transport und die Veränderungen der Partikel über Prozess- und Transportmodellierung erforscht. Und schließlich sollen die Auswirkungen auf Strahlung, Wolken und Vegetation aus Satellitenbeobachtungen und durch Fernerkundung vom Boden aus abgeleitet werden.
Das Konsortium kann sich dabei auf eine umfangreiche Infrastruktur stützen: von Atmosphärenkammern wie der ACD-Chamber und Laboren zur Verbrennung verschiedener Biomassenarten über mehrere experimentelle Plattformen und Observatorien wie der Forschungsstation Melpitz bei Torgau oder dem Lidarnetzwerk PollyNet bis hin zum Forschungsflugzeug HALO oder globalen Vegetationsdatenbanken wie TRY und sPlot.
„Ich freue mich sehr, dass nach ‚Eastern Europe - Global Area‘ nun ein zweiter Leibniz-Wissenschaftscampus in Leipzig beheimatet sein wird. Bei der Erforschung des Komplexes Wolken – Aerosol – Strahlung und der Biodiversität zählen Institutionen wie das TROPOS, unser Institut für Meteorologie und das iDiv zur internationalen Spitze. Ihre Zusammenarbeit wird weiter vertieft. Über den neuen Leibniz-WissenschaftsCampus hinaus etabliert sich in Leipzig seit einiger Zeit die interdisziplinäre Forschung zur Verbindung von Biodiversität und Klimawandel. Unter den Verbundprojekten ist auch ein geplanter Exzellenzcluster im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder“, unterstreicht Professorin Dr. Eva Inés Obergfell, Rektorin der Universität Leipzig.
Leibniz-WissenschaftsCampi ermöglichen Leibniz-Instituten und Universitäten die Zusammenarbeit bei einem Thema im Sinne einer regionalen Partnerschaft. Ziel ist es, Netzwerke zu schaffen, um den jeweiligen Forschungsbereich weiter zu entwickeln und das wissenschaftliche Umfeld zu stärken. Leibniz-WissenschaftsCampi betreiben strategische Forschung, befördern Interdisziplinarität, machen den jeweiligen Standort sichtbar und stärken sein Forschungsprofil. Die geförderten Vorhaben sollen sich nicht nur durch ihre besondere wissenschaftliche Qualität auszeichnen, sondern auch durch ihre gesellschaftliche Relevanz. Das Budget von rund 900 000 Euro pro Jahr wird in der Regel zu je einem Drittel von der Leibniz-Gemeinschaft, der Universität sowie dem antragstellenden Leibniz-Institut getragen. Bei positiver Begutachtung nach der ersten Förderphase von vier Jahren können Leibniz-WissenschaftsCampi verlängert und weitere vier Jahre lang gefördert werden.