In der Photochemie wird versucht, chemische Reaktionen mithilfe von Licht anzustoßen. Eine grundlegende Herausforderung dafür ist es, die richtigen Photokatalysatoren zu finden. Bisher galten nur wenige Übergangsmetallkomplexe mit Metallionen, die auch in größeren Mengen auf der Erde vorkommen, als geeignete Kandidaten – darunter Chrom, Eisen und Kobalt. Diese Photokatalysatoren benötigen allerdings zur Anregung hochenergetisches Licht und ihre Oxidationskraft wurde noch nicht vollständig ausgeschöpft. Darüber hinaus sind in den meisten Fällen teure Edelmetalle die entscheidenden Bestandteile. Ein Team um Prof. Dr. Katja Heinze von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat nun ein neues molekulares System entwickelt, das auf dem Element Mangan beruht. Mangan ist nach Eisen und Titan das dritthäufigste Metall auf der Erde und damit weit verbreitet und sehr billig.
"Molekularer Braunstein" zeigt ungewöhnliches Verhalten
Der lösliche Mangankomplex aus der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Katja Heinze ist in der Lage, sämtliches sichtbare Licht von blau bis rot, also in einer Wellenlänge von 400 bis 700 Nanometer, und Teile der nahen Infrarotstrahlung bis 850 Nanometer zu absorbieren. Der Komplex nimmt dadurch eine Farbe an, die an Braunstein erinnert – ein natürliches Mineral aus Mangandioxid. Im Gegensatz zu dem Mineral Braunstein sendet der neue "molekulare Braunstein" Licht in der Wellenlänge von 1.435 Nanometer aus, wenn er mit Licht im sichtbaren Bereich oder in der Wellenlänge von 850 Nanometer angeregt wird. "Das ist ein ungewöhnliches Verhalten für ein molekulares System, das auf Mangan in der Oxidationsstufe vier basiert", so Heinze.
Noch faszinierender ist die Beobachtung, dass der "molekulare Braunstein" nach der Lichtanregung verschiedene organische Substrate oxidieren kann. Dazu gehören Moleküle mit sehr hohen Oxidationspotenzialen wie Naphthalin, Toluol oder Benzol. "Selbst sonst sehr stabile Lösungsmittel können von dem Superphotooxidans angegriffen werden, wenn es durch LED-Licht angeregt wurde", sagt Dr. Nathan East. Er hat im Rahmen seiner Doktorarbeit in der Gruppe von Prof. Dr. Katja Heinze den neuen Komplex hergestellt und die Photolyseexperimente durchgeführt.
Ultraschnelle spektroskopische Techniken und quantenchemische Berechnungen
Mithilfe von Ultrakurzzeitspektroskopie konnte das Team zwei photoaktive Zustände beobachten: einen sehr kurzlebigen, aber extrem oxidierenden hochenergetischen Zustand und einen längerlebigen, mäßig oxidierenden niederenergetischen Zustand. Zu diesen Messungen trug maßgeblich Dr. Robert Naumann bei, der sich in der Gruppe auf zeitaufgelöste Spektroskopie spezialisiert hat. Quantenchemische Berechnungen halfen beim Verständnis der ungewöhnlichen Photoprozesse. "Diese hochspezialisierten und zeitaufwendigen Berechnungen waren nur mit der Rechenleistung der Supercomputer MOGON und Elwetritsch in Rheinland-Pfalz möglich", ergänzt Dr. Christoph Förster, leitender Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe, der maßgeblich an der quantenchemischen Studie beteiligt war.
Bemühungen um nachhaltige Photochemie werden fortgesetzt
In Zukunft könnte es der Forschung gelingen, neue anspruchsvolle lichtgetriebene Reaktionen mit dem reichlich vorhandenen Metall Mangan vorzunehmen. Damit würden die seltenen und teureren Ruthenium- und Iridiumverbindungen ersetzt, die heute noch am häufigsten verwendet werden. Damit würden aber auch Reaktionen und Substratklassen zugänglich, die mit den klassischen photoaktiven Verbindungen nicht umsetzbar sind. "Mit unserem eigenen, neu installierten ultraschnellen Lasersystem, der Rechenstärke von Supercomputern und der Kreativität und den Fähigkeiten unserer Doktorandinnen und Doktoranden werden wir unsere Bemühungen um eine nachhaltigere Photochemie weiter vorantreiben", betont Prof. Dr. Katja Heinze.
Forschungen im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms "Lichtgesteuerte Reaktivität von Metallkomplexen"
Die Ergebnisse hat die Fachzeitschrift Nature Chemistry veröffentlicht. Die Forschungen werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und dem Max Planck Graduate Center mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (MPGC) gefördert. Die DFG hat 2018 das Schwerpunktprogramm "Lichtgesteuerte Reaktivität von Metallkomplexen" (SPP 2102) eingerichtet, das von Prof. Dr. Katja Heinze koordiniert wird und dessen zweite Förderperiode 2022 begonnen hat.
Weiterführende Links:
- https://www.ak-heinze.chemie.uni-mainz.de/ – Arbeitskreis von Prof. Dr. Katja Heinze am Department Chemie der JGU
- https://www.spp2102.uni-mainz.de/ – DFG-Schwerpunktprogramm 2102 "Lichtgesteuerte Reaktivität von Metallkomplexen"
- https://susinnoscience.uni-mainz.de/ – Profilbereich SusInnoScience an der JGU
- https://www.mpgc-mainz.de/ – Max Planck Graduate Center mit der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Lesen Sie mehr:
- https://presse.uni-mainz.de/kostenguenstiger-molybdaenkomplex-bereitet-den-weg-fuer-eine-nachhaltige-photochemie/ – Pressemitteilung "Kostengünstiger Molybdänkomplex bereitet den Weg für eine nachhaltige Photochemie" (10.08.2023)
- https://presse.uni-mainz.de/nachhaltige-alternative-fuer-energieintensive-photochemie/ – Pressemitteilung "Nachhaltige Alternative für energieintensive Photochemie" (30.11.2022)
- https://presse.uni-mainz.de/weiterer-durchbruch-auf-dem-weg-zu-nachhaltigerer-photochemie-gelungen/ – Pressemitteilung "Weiterer Durchbruch auf dem Weg zu nachhaltigerer Photochemie gelungen" (02.06.2022)
- https://presse.uni-mainz.de/horst-dietrich-hardt-preis-fuer-mainzer-forscherin-katja-heinze/ – Pressemitteilung "Horst-Dietrich Hardt-Preis für Mainzer Forscherin Katja Heinze" (29.03.2022)
- https://presse.uni-mainz.de/jgu-koordiniert-dfg-schwerpunktprogramm-in-der-photochemie-auch-in-der-zweiten-foerderperiode/ – Pressemitteilung "JGU koordiniert DFG-Schwerpunktprogramm in der Fotochemie auch in der zweiten Förderperiode" (15.12.2021)
- https://presse.uni-mainz.de/mainzer-wissenschaftler-entwickeln-nachhaltigere-photochemie/ – Pressemitteilung "Mainzer Wissenschaftler entwickeln nachhaltigere Photochemie" (18.12.2019)
- https://presse.uni-mainz.de/wissenschaftler-entwickeln-hochempfindlichen-molekularen-optischen-drucksensor/ – Pressemitteilung "Wissenschaftler entwickeln hochempfindlichen molekularen optischen Drucksensor" (05.07.2018)
- https://presse.uni-mainz.de/mainzer-chemikern-gelingt-isolation-und-charakterisierung-von-gold-in-sehr-seltener-oxidationsstufe-ii/ – Pressemitteilung "Mainzer Chemikern gelingt Isolation und Charakterisierung von Gold in sehr seltener Oxidationsstufe +II" (08.08.2017)
- https://presse.uni-mainz.de/molekulares-thermometer-fuer-kontaktlose-messungen-mit-infrarotem-licht/ – Pressemitteilung "Molekulares Thermometer für kontaktlose Messungen mit infrarotem Licht" (07.06.2017)
- https://presse.uni-mainz.de/johannes-gutenberg-universitaet-mainz-koordiniert-neues-dfg-schwerpunktprogramm-in-der-photochemie/ – Pressemitteilung "Johannes Gutenberg-Universität Mainz koordiniert neues DFG-Schwerpunktprogramm in der Photochemie" (19.04.2017)
Journal
Nature Chemistry
Article Title
Oxidative two-state photoreactivity of a manganese(IV) complex using near-infrared light
Article Publication Date
8-Feb-2024