News Release

Landwirtschaftliche Nutzung von natürlichen Lebensräumen gefährdet junge Primaten

Eine neue Studie zeigt, dass regelmäßiger Besuch auf Palmölplantagen die Säuglingssterblichkeit bei Südlichen Schweinsaffen auf der Malaiischen Halbinsel kritisch erhöht.

Peer-Reviewed Publication

German Centre for Integrative Biodiversity Research (iDiv) Halle-Jena-Leipzig

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Female southern pig-tailed macaque with infant.

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Credit: Anna Holzner

Das regelmäßige Aufsuchen von Palmölplantagen führt zu einer deutlich erhöhten Sterblichkeitsrate unter jungen Südlichen Schweinsaffen (Macaca nemestrina) in freier Natur. Das zeigt eine neue Studie, die in Current Biology veröffentlicht wurde. Die Forscherinnen begründen dies mit einem höheren Risiko durch Raubtiere und den Menschen. Auch der Kontakt mit potentiell schädlichen Chemikalien, die in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen, könnte die Entwicklung der jungen Primaten beeinträchtigen.

Für wildlebende Populationen ist das Überleben des Nachwuchses entscheidend für den Fortbestand der Art in einer sich verändernden Umwelt. Landwirtschaftliche Flächen, die an den tropischen Regenwald angrenzen, können für Wildtiere Fluch und Segen zugleich sein: Während die Plantagen einen einfachen Zugang zu Nahrung versprechen, bergen sie auch Gefahren, die wahrscheinlich dazu beitragen, dass bei verschiedenen Wildtierarten immer weniger Jungtiere überleben.

Besuch von Palmölplantagen erhöht Säuglingssterblichkeit

In einem gemeinsamen Forschungsprojekt der Universiti Sains Malaysia (USM), des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Universität Leipzig und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI EVA) untersuchten die Wissenschaftlerinnen mögliche Zusammenhänge zwischen dem Aufsuchen von Palmölplantagen zur Futterbeschaffung und einer besonders hohen Kindersterblichkeit, die sie bei wildlebenden Südlichen Schweinsaffen auf der Malaiischen Halbinsel beobachtet hatten. Bei einer Population, die an die Anwesenheit der Forschenden gewöhnt war, verstarben zwischen 2014 und 2023 insgesamt 57 % aller geborenen Jungtiere innerhalb ihres ersten Lebensjahres – das ist deutlich mehr als das, was für andere wildlebende Primatenarten n erfasst wurde.

Über einen Zeitraum von fast 10 Jahren folgten die Forscherinnen zwei Makakengruppen, die in einer Mosaiklandschaft aus Regenwald und Palmölplantagen leben.  Sie fanden heraus, dass durchschnittlich längere Aufenthaltszeiten in den Ölpalmenplantagen während des Säuglingsalters die Wahrscheinlichkeit der Säuglingssterblichkeit verdreifachten. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass auf den Plantagen häufiger Raubtiere sowie Menschen anzutreffen sind. Auch der Kontakt zu potentiell schädlichen Chemikalien wie Pestiziden könnte zu der erhöhten Sterblichkeit beitragen.

„Teilweise ist es relativ eindeutig: Jungtiere fallen streunenden Hunden auf den Plantagen zum Opfer, die dort in Rudeln unterwegs sind, oder sie werden von Menschen eingefangen und illegal als Haustiere verkauft“, erklärt Dr. Nadine Ruppert von der USM, die die Forschungsstation ins Leben rief und leitet. „Aber welche Auswirkungen die Behandlung der Monokulturen mit Pestiziden langfristig auf wildlebende Säugetiere hat, ist weniger offensichtlich und auch kaum untersucht.“

Pestizide könnten fötale Entwicklung beeinträchtigen

In ihrer Studie konnten die Wissenschaftlerinnen außerdem zeigen, dass die Säuglingssterblichkeit erhöht war, wenn die Mutter erstgebärend war oder längere Zeit kein Jungtier zur Welt gebracht hatte. Das steht im Gegensatz zu Studien an unbeeinflussten Wildtierpopulationen, denen zufolge die Sterblichkeit bei einem kürzeren Abstand zwischen zwei Geburten erhöht war. Die Ansammlung oder Aufnahme von Pestiziden im Körper der Mutter könnte hier eine entscheidende Rolle spielen: „Frühere Veröffentlichungen legen nahe, dass bestimmte schädliche Substanzen, die in der Landwirtschaft zum Einsatz kommen, über die Plazenta auf das ungeborene Junge übertragen werden können. Außerdem ist bekannt, dass bestimmte fettlösliche Moleküle über die Muttermilch abgegeben werden“, erklärt Erstautorin Dr. Anna Holzner (iDiv, MPI EVA, UL und USM). „Je länger sich die Chemikalien also im Körper der Mutter ansammeln, desto stärker könnten die Auswirkungen auf die fötale Entwicklung während der Schwangerschaft und auch während der Stillzeit sein.“

Die Studie unterstreicht den dringenden Handlungsbedarf aufgrund der anthropogenen Bedrohung von Tieren in landwirtschaftlich geprägten Landschaften. „Es ist bekannt, dass der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zu einem drastischen Rückgang von Insekten geführt hat. Daher sind chemische Analysen dringend nötig, um den Einfluss von Pestiziden auf Säugetiere zu untersuchen“, sagt Seniorautorin Prof. Dr. Anja Widdig (UL, MPI EVA und iDiv). „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es unbedingt umweltfreundliche Anbaumethoden braucht, die die Risiken für wildlebende Populationen minimieren – und auch für die Menschen, die in der Nähe der Plantagen leben.“


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