Supernovae – Sternenexplosionen, die so hell sind wie eine ganze Galaxie – faszinieren uns seit jeher. Dennoch kommen wasserstoffarme Supernovae häufiger vor, als Astrophysiker:innen erklären können. Nun hat eine neue Assistenzprofessorin am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung der fehlenden Vorläufersternpopulation gespielt. Die Ergebnisse, die im Fachjournal Science veröffentlicht wurden, gehen auf ein Gespräch zurück, das die beteiligten Professorinnen vor vielen Jahren als Nachwuchswissenschafterinnen führten.
Manche Sterne sterben nicht einfach ab. Sie explodieren in einem stellaren Knall, der ganze Galaxien überstrahlen kann. Diese kosmischen Phänomene, Supernovae genannt, verbreiten Licht, Elemente, Energie und Strahlung im Weltall. Mit den galaktischen Stoßwellen, die sie ausbreiten, komprimieren Supernovae Gaswolken und können neue Sterne erzeugen. Anders gesagt: Supernovae formen unser Universum. Jedoch haben wasserstoffarme Supernovae von explodierenden massereichen Sternen Astrophysiker:innen lange Zeit vor ein Rätsel gestellt. Der Grund: Die Wissenschafter:innen waren nicht in der Lage, ihre Vorläufersterne zu identifizieren. Es ist fast so, als wären diese Supernovae aus dem Nichts aufgetaucht.
„Es gibt viel mehr wasserstoffarme Supernovae, als unsere derzeitigen Modelle erklären können. Entweder können wir die Sterne, die sich auf diesem Weg entwickeln, nicht entdecken, oder wir müssen alle unsere Modelle überarbeiten“, sagt ISTA-Assistenzprofessorin Ylva Götberg. Sie leistete zusammen mit Maria Drout, einer assoziierten Assistenzprofessorin des Dunlap Institute for Astronomy & Astrophysics an der Universität Toronto, Kanada, Pionierarbeit bei dieser Untersuchung. „Einzelne Sterne explodieren normalerweise als wasserstoffreiche Supernovae. Dass sie wasserstoffarm sind, bedeutet, dass der Vorläuferstern seine dicke, wasserstoffreiche Hülle verloren haben muss. Dies geschieht bei einem Drittel aller massereichen Sterne auf natürliche Weise durch Abstreifen der Hülle durch einen Doppelstern“, sagt Götberg. Nun haben Götberg und Drout ihre Kompetenzen in der theoretischen Modellierung und Beobachtung kombiniert, um die fehlenden Sterne aufzuspüren. Ihre Suche ist erfolgreich: Sie dokumentieren eine neuartige Sternpopulation, die endlich eine große Wissenslücke schließt und Licht auf den Ursprung wasserstoffarmer Supernovae wirft.
Doppelsterne und Massentransfer
Die Sterne, nach denen Götberg und Drout suchen, kommen paarweise vor: jeder Stern ist mit einem Begleitstern in einem Doppelsternsystem verzahnt. Einige Doppelsternsysteme sind uns Erdbewohner:innen gut bekannt: Dazu gehören der hellste Stern an unserem Nachthimmel, Sirius A, und sein schwacher Begleitstern Sirius B. Das Sirius-Binärsystem ist nur 8,6 Lichtjahre von der Erde entfernt – ein Katzensprung in kosmischer Hinsicht. Dies erklärt die beobachtete Helligkeit von Sirius A an unserem Nachthimmel.
Astrophysiker:innen gehen davon aus, dass die fehlenden Sterne ursprünglich aus massereichen Doppelsternsystemen entstanden sind. In einem Doppelsternsystem kreisen die Sterne umeinander, bis sich die dicke, wasserstoffreiche Hülle des massereicheren Sterns ausdehnt. Schließlich wird die expandierende Hülle stärker an den Begleitstern angezogen als auf den eigenen Kern. Dadurch setzt ein Massentransfer ein, der schließlich dazu führt, dass die gesamte wasserstoffreiche Hülle abgestreift wird und der heiße und kompakte Heliumkern freiliegt – mehr als zehnmal so heiß wie die Sonnenoberfläche. Dies ist genau die Art von Sternen, nach denen Götberg und Drout suchen.
„Wissenschafter:innen ahnten bereits, dass Heliumsterne mittlerer Masse, die durch binäre Wechselwirkung entstanden sind, eine wichtige Rolle in der Astrophysik spielen. Dennoch wurden solche Sterne bisher nicht beobachtet“, sagt Götberg. Tatsächlich gibt es eine große Masselücke zwischen den bekannten Klassen von Heliumsternen: die massereicheren Wolf-Rayet-Sterne (WR) haben mehr als das Zehnfache der Sonnenmasse, und die massearmen Unterzwergsterne könnten etwa die Hälfte der Sonnenmasse haben. Laut Modellen liegen jedoch die Vorläufer wasserstoffarmer Supernovae nach dem Massentransfer zwischen 2 und 8 Sonnenmassen.
Nicht nur eine Nadel im Heuhaufen
Vor der Studie von Götberg und Drout wurde nur ein Stern gefunden, der die erwarteten Kriterien für Masse und Zusammensetzung erfüllte. Dadurch, dass er an Wolf-Rayet-Sterne erinnerte, wurde er „Quasi-WR“ benannt. „Doch die Sterne, die sich auf diesem Weg entwickeln, haben eine so lange Lebensdauer, dass viele von ihnen über das gesamte beobachtbare Universum verstreut sein müssen“, sagt Götberg. Haben die Wissenschafter:innen sie einfach nicht „gesehen“? So nutzten Götberg und Drout ihr komplementäres Fachwissen. Mit Hilfe von UV-Photometrie und optischer Spektroskopie identifizierten sie eine Population von 25 Sternen, die mit den Erwartungen für Heliumsterne mittlerer Masse übereinstimmen. Die Sterne befinden sich in zwei gut untersuchten benachbarten Galaxien, der Großen und der Kleinen Magellanschen Wolke. „Wir haben gezeigt, dass diese Sterne blauer sind als die Sternen-Geburtslinie, die blaueste Phase im Leben eines einzelnen Sterns. Einzelne Sterne entwickeln sich zum rötlichen Bereich des Spektrums hin. Ein Stern verschiebt sich nur dann in die entgegengesetzte Richtung, wenn seine äußeren Schichten entfernt werden – etwas, das bei wechselwirkenden Doppelsternen häufig und bei massereichen Einzelsternen selten vorkommt“, erklärt Götberg.
Anschließend überprüften die Forscherinnen ihre Sternkandidaten mit Hilfe der optischen Spektroskopie: Sie zeigten, dass die Sterne starke spektrale Signaturen von ionisiertem Helium aufweisen. „Starke ionisierte Heliumlinien geben uns zwei wichtige Hinweise: Erstens bestätigen sie, dass die äußersten Schichten der Sterne von Helium dominiert werden und zweitens, dass ihre Oberfläche sehr heiß ist. Das ist das, was bei Sternen passiert, die nach dem Massentransfer einen freiliegenden, kompakten, heliumreichen Kern haben“, sagt Götberg. In einem Doppelsternsystem tragen jedoch beide Sterne zu den beobachteten Spektren bei. So konnten die Forscherinnen mit dieser Technik ihre Kandidatenpopulation danach klassifizieren, welcher Stern den größten Beitrag zum Spektrum leistet. „Diese Arbeit ermöglichte es uns, die fehlende Population von Heliumsternen mittlerer Masse zu finden, die als Vorläufer von wasserstoffarmen Supernovae vorhergesagt werden. Diese Sterne hat es schon immer gegeben, und es gibt wahrscheinlich noch viel mehr von ihnen da draußen. Wir müssen nur Wege finden, um sie zu finden“, sagt Götberg. „Unsere Arbeit ist vielleicht einer der ersten Versuche, aber es sollte noch weitere Möglichkeiten geben.“
Von Doktorandinnen auf einer Konferenz zu Gruppenleiterinnen
Die Idee zu diesem Projekt entstand in einer Diskussion nach einem Vortrag von Götberg auf einer Konferenz, die sie und Drout während ihres Studiums besuchten. Beide Forscherinnen, die damals als Nachwuchswissenschafterinnen nach den Sternen griffen, sind heute Forschungsruppenleiterinnen. Götberg kam im September zum ISTA, nachdem sie als NASA-Hubble-Postdoktorandin an den Carnegie Observatories in Pasadena, Kalifornien, geforscht hatte. Am ISTA reiht sich Götberg in die wachsende Zahl junger Professor:innen in der Astrophysik ein und leitet ihre eigene Gruppe, die sich mit der Untersuchung der Wechselwirkungen von Doppelsternen beschäftigt.
Diese Arbeit, welche von Maria R. Drout (Dunlap Institute for Astronomy & Astrophysics, University of Toronto, Kanada) und Ylva Götberg (Institute of Science and Technology Austria, ISTA) geleitet wird, wurde unter anderem in Zusammenarbeit mit den Observatorien der Carnegie Institution for Science (Pasadena, USA) und dem Max-Planck-Institut für Astrophysik (Garching, Deutschland) durchgeführt.
Journal
Science
Method of Research
Observational study
Subject of Research
Not applicable
Article Title
An observed population of intermediate mass helium stars that have been stripped in binaries
Article Publication Date
14-Dec-2023